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März 2025

Kiffen oder Alkohol trinken – was ist gefährlicher?

Die Debatte um das Pro und Contra der Cannabislegalisierung ist nie ganz verstummt. Nun dürfte sie neu aufflammen. Denn die CDU als höchstwahrscheinlich künftige Kanzlerpartei will das Cannabisgesetz der Ampel wieder abschaffen. Wiederholt stößt man in diesem Zusammenhang auf die Frage: Was ist eigentlich gefährlicher – kiffen oder Alkohol trinken?

Dies kommt nicht von ungefähr. Denn die Cannabisdebatte ist durchweg von einer bemerkenswerten Doppelmoral gekennzeichnet. Man könnte es wie folgt zuspitzen: Cannabis ist Teufelszeug, während Alkohol eine verdiente Belohnung unserer Leistungsträger ist. Ein kürzlich auf Instagram gepostetes Video, welches Friedrich Merz am Wahlabend in „Bierlaune“ zeigt, liefert hierfür ein bezeichnendes Beispiel.

Nun soll es hier weniger um Politik und Friedrich Merz gehen. Ich möchte vielmehr einen kurzen Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft sowie die Datenlage hinsichtlich dieser Fragestellung werfen.

Besorgt dem Chef mal ein Bier!

Es ist der Abend des 23. Februars 2025. Zu vorgerückter Stunde ist das Treiben im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses ausgelassen. Kein Wunder, denn die CDU hat gerade die Bundestagswahl gewonnen – nicht überragend, aber dennoch klar. Friedrich Merz, der frisch gebackene Sieger, betritt die Szenerie. Sofort ist er umringt von jungen Parteimitgliedern, die ihm anerkennend gratulieren: „Herr Merz, alles Gute zum Wahlsieg!“, „Alles Gute!“ und „Herzlichen Glückwunsch!“

Doch Merz ist kurz angebunden. Mehr als ein knappes „Vielen Dank!“ oder „Dankeschön!“ ist ihm nicht zu entlocken. Was ihn viel mehr interessiert, ist die Frage: „Wo gibt’s denn hier das Bier?“ Die Antworten der bemühten Parteijugend: „Wir holen Ihnen eins. Wir versuchen es gemeinsam.“ Merz quittiert dies mit einem ungeduldigen „Sehr gut!“. Doch es geht ihm nicht schnell genug, so dass er nur eine Sekunde später nachhakt: „So, ich würde jetzt gerne wissen, wo es hier Bier gibt!“. Ein „Moment!“ erklingt aus dem Hintergrund. Derzeit bittet ein junger Mann um ein Selfie. Sichtlich genervt forciert Merz den Ton: „Na los, also funktionieren muss es schon, mein großer Meister!“ Der lässt sich nicht zweimal bitten und ruft lauthals über die Köpfe der Umstehenden: „Besorgt dem Chef mal ein Bier, Leute!“

Diese Schilderung entstammt keineswegs dem Reich der Fantasie – etwa der eines enttäuschten Bürgers, der sich einen anderen Wahlausgang gewünscht hätte. Ich gebe hier lediglich den Inhalt eines Videos wieder, über das das Nachrichtenportal „DERWESTEN“ berichtet hat. Urheber des Mittschnitts ist der CDU-Lokal-Politiker Andreas Quebbemann, also ein Parteifreund von Merz. Und veröffentlicht wurde es auf Instagram, so dass dort jeder überprüfen kann, ob ich den Auftritt des wahrscheinlich künftigen Kanzlers korrekt wiedergegeben habe.

Will Cannabis verbieten, aber trinkt Alkohol…

Ob Quebbemann seinem Parteivorsitzenden mit der Veröffentlichung des Videos einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt. Denn die Reaktionen darauf sind sehr gespalten. Vor allem ein Kommentar springt mir dabei ins Auge: „Will Cannabis verbieten, aber trinkt Alkohol… Soso…“

Die diesbezügliche Stellungnahme im Wahlprogramm der CDU ist in der Tat eindeutig: „Wir schaffen das Cannabis-Gesetz der Ampel ab. Dieses Gesetz schützt Dealer und setzt unsere Kinder und Jugendlichen dem Drogenkonsum und der Sucht aus“ (zitiert nach einem auf rundschau-online.de veröffentlichten Artikel vom 09.02.2025). Auch Merz persönlich hatte schon vor der Wahl klar gemacht, dass die Union die Legalisierung für falsch halte und das wieder korrigieren wolle (vgl. Interview mit Merz im Live-Streaming-Portal Twitch nach dem TV-Duell bei ARD und ZDF mit Kanzler Olaf Scholz). Er nennt in diesem Zusammenhang drei Argumente:

  1. Es gebe eine explodierende Beschaffungskriminalität zu diesem Thema.
  2. Er möchte seine Kinder und Enkelkinder davor schützen, dass sie legal solche Drogen nähmen.
  3. Diese Drogen seien Einstiegsdrogen für harte Drogen.

Bemerkenswerterweise ist es derselbe Herr Merz, der in der Vergangenheit offen darüber Auskunft gab, dass er bereits mit 14 Jahren angefangen habe zu rauchen und Bier zu trinken (Interview Tagesspiegel 2018). Aber ich will mich hier nicht auf Herrn Merz einschießen. Außerdem möchte ich betonen, dass ich selbst in diesem Alter nicht besser war.

Ist kiffen wirklich so schlimm? – Und Alkohol trinken wirklich so harmlos?

Ohnehin geht es mir um etwas Grundsätzlicheres: Es gibt ein fest verankertes Denken in maßgeblichen Teilen unserer Gesellschaft, wonach Cannabis das reinste Teufelszeug ist. Währenddessen bleibt das Thema Alkohol unangetastet. Im Gegenteil, Bier und Wein gelten als verdiente Belohnung für Leistungsträger. Für diese Art von Denken liefert Friedrich Merz ein prominentes Beispiel. Angesichts dessen drängt sich mir die Frage auf: Ist kiffen wirklich so schlimm und Alkohol trinken wirklich so harmlos? Schauen wir hierzu einmal weniger auf das, was die Politik sagt, sondern vielmehr auf den aktuellen Stand der Wissenschaft.

Was sagt die Wissenschaft?

Unter dem Titel: „Was ist gefährlicher: Alkohol oder Cannabis?“ hat Uwe Fuhr, Professor für Klinische Pharmakologie an der Uniklinik Köln hierzu bereits 2023 Auskunft gegeben (Kölner Universitätsmagazin).

Demnach ist Alkohol pharmakologisch gesehen ein Zellgift. Hierfür ist vor allem das Acetaldehyd verantwortlich. Es ist das Hauptabbauprodukt von Alkohol im Körper und schädigt besonders Gehirn, Leber, Bauchspeicheldrüse und Herz. Daneben erhöht Alkoholkonsum das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen.

Auch Tetrahydrocannabinol kann irreversible Schäden im Zentralnervensystem verursachen. Das gilt vor allem bei längerem Gebrauch. Giftig wirkt Cannabiskonsum jedoch allenfalls durch das Einatmen von Verbrennungsprodukten beim Rauchen von Joints. Das hiermit verbundene Schädigungspotenzial ist gegenüber der Giftwirkung von Alkohol aber deutlich geringer. Auch das Risiko für eine akute Überdosierung mit direkter oder indirekter Todesfolge ist bei Cannabis sehr viel niedriger als bei Alkohol.

Deutlich ausschlaggebender bei der Risikobewertung beider Substanzen sind laut Fuhr aber andere Faktoren. In diesem Zusammenhang weist er auf die oft schweren Beeinträchtigungen des sozialen Umfelds hin, die besonders mit dem Verzehr größerer Alkoholmengen einhergehen. Zur Begründung führt er an: den Suchtcharakter, die Kontrollverluste sowie die Verhaltensänderungen. Sie seien für diese Art des Konsums oft kennzeichnend und unmittelbar auf die alkohol-bedingten Schädigungen des Gehirns zurückzuführen.

Auch Cannabiskonsum ist mit Verhaltensänderungen verbunden. Diese betreffen aber eher die konsumierende Person selbst. Im Extremfall können vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen Psychosen auftreten. Insofern gibt es hier ebenfalls ernste gesundheitliche Risiken und Gefahren. Dennoch ziehen die Auswirkungen von Alkohol im Vergleich zu Cannabis zumindest nach jetzigem Kenntnisstand deutlich weitere Kreise.

Dies bestätigen auch Untersuchungen aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Neuseeland. Dort wurden Schadensskalen für Suchtdrogen verwendet, die unter anderem Todesfälle, Gesundheitsschäden, Funktionseinschränkungen, Abhängigkeit, Unfälle, Verbrechen, soziale Schäden und finanzielle Schäden durch den Konsum berücksichtigen. Die Skalenwerte bei Alkohol sind demnach etwa dreifach höher als bei Cannabis.

Fazit: Alkohol ist gefährlicher!

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass der Konsum beider Suchtmittel risikobehaftet ist. Doch im Hinblick auf die hier aufgeworfene Fragestellung ist Fuhrs Fazit klar: „Wenn man alle Faktoren abwägt, ist Alkohol (…) gefährlicher.“

Wie ist die Verbreitung in der Gesellschaft?

Je höher das schädliche Nebenwirkungspotenzial einer Substanz ist, desto mehr ist auch von Belang, wie sehr ihr Gebrauch in der Bevölkerung verbreitet ist. Das Jahrbuch Sucht 2024 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen liefert im Hinblick auf Alkohol und Cannabis entsprechende Zahlen. So werden bei Cannabis in den Unterteilungen „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“ jeweils 309.000 Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren genannt. Bei Alkohol sind es in der Sparte „Missbrauch“ 1,4 Millionen sowie in der Kategorie „Abhängigkeit“ 1,6 Millionen.

Darüber hinaus werden bei Alkohol 7,9 Millionen Erwachsene mit gesundheitlich riskantem Konsum sowie 9,0 Millionen mit problematischem Konsum aufgeführt. Bei Cannabis fehlen entsprechende Vergleichszahlen. Es findet sich lediglich die Aussage, dass insgesamt ein Anstieg des Cannabiskonsums zu beobachten sei – auch des problematischen Gebrauchs. Fachleute mutmaßen ohnehin, dass bei Angaben zum Cannabiskonsum aus Angst vor sozialer Stigmatisierung mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen sei. Überhaupt leidet die Aussagekraft des hier angestellten Vergleichs unter gewissen methoden-bedingten Schwächen. So wurden die Zahlen in Form von Hochrechnungen ermittelt, so dass Ungenauigkeiten und Verzerrungen einkalkuliert werden müssen. Außerdem sind die Zahlen bei weitem nicht so aktuell, wie man sich das wünschen würde (Stichtag: 31.12.2017).

Dennoch findet sich auf dem Datenportal des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen im Hinblick auf die entsprechenden Häufigkeiten eine klare Aussage. Demnach folgt Cannabis hinter Alkohol und Nikotin „erst“ auf dem dritten Platz. Dieses Ranking lässt somit ebenfalls keinen anderen Schluss zu, als den, dass das Gefahrenpotenzial von Alkohol höher zu bewerten ist als das von Cannabis.

Einstiegsdroge – ja oder nein?

Kommen wir nun noch einmal auf die von Merz genannten Argumente zurück, mit denen er die Rückkehr zu einer härteren Gangart gegenüber Cannabis rechtfertigt. Er spricht in diesem Zusammenhang von „Einstiegsdroge“ für harte Suchtmittel. Diese Sichtweise geht auf die sogenannte „Gateway-Theorie“ zurück. Statistisch lässt sich in der Tat belegen, dass dem Konsum von „harten“ Drogen (z. B. Kokain, Heroin) meist der Konsum von Cannabis vorausgeht. Doch hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass jugendliche Kiffer später mit einem gewissen Automatismus zu härteren Drogen greifen, gilt heute als widerlegt.

So konnte schon vor längerem gezeigt werden, dass neben jugendlichem Kiffen auch Stressfaktoren wie Elternscheidung oder Schulprobleme beim Umstieg auf härtere Drogen eine wichtige Rolle spielen. Andererseits schwächt sich das Gateway-Risiko von Cannabis mit zunehmenden Alter und günstigen sozialen Lebensbedingungen (z. B. fester Job) wieder deutlich ab.[1]

Dabei ist es ja keineswegs so, dass jugendlicher Alkoholkonsum frei wäre vom Gateway-Risiko. Das Deutsche Ärzteblatt[2] berichtete bereits 2001 über Studien, die zeigen, dass Menschen, die früh mit dem Alkoholkonsum beginnen, später eher zu anderen Drogen greifen.

Genau deshalb macht es ausgesprochen Sinn, sowohl den Alkohol- als auch den Cannabisverzehr bei Jugendlichen gesetzlich zu untersagen. Entsprechend greift die teilweise Cannabis-Freigabe der Ampelregierung erst jenseits des Minderjährigen-Alters. Dass Herr Merz hier also so sehr auf den Schutz seiner Kinder und Enkelkinder pocht, ist längst unumstrittener Konsens in unserer Gesellschaft. Durch das von ihm kritisierte Ampelgesetz wird dieses Schutzbedürfnis auf jeden Fall nicht unterlaufen.

Wir haben ganz generell ein Suchtproblem!

Dennoch ist es natürlich legitim, Zugangsbeschränkungen für Substanzen mit gefährlichen Nebenwirkungen kontrovers zu diskutieren. Und natürlich kann es am Ende solcher Diskussionen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Strategien kommen. Doch warum lässt man hierbei dann ein Suchtmittel wie Alkohol völlig außen vor? Es ist vom Gefahrenpotenzial her deutlich bedeutsamer als Cannabis.

Schlimmer ist aber: Das ständige Kaprizieren auf die Gefahren des „Bubatz“ (aktueller Szenebegriff für Cannabis) verbaut den Blick aufs Wesentliche. Wir haben nämlich nicht nur ein Problem wegen einzelner mehr oder weniger risikobehafteter Suchtmittel. Wir haben in unserer überaus regulierten Gesellschaft vielmehr ganz generell ein Suchtproblem. Hierauf weist auch der bekannte Suchtexperte Gernot Rücker immer wieder hin[3]. Und nicht umsonst listet das bereits oben genannte DHS Jahrbuch Sucht neben Cannabis zahlreiche weitere gesellschaftlich hoch relevante Süchte beziehungsweise Suchtmittel auf, wie etwa Tabak, Alkohol, Glücksspiel, internetbezogene Störungen, Essstörungen, Opioide und Kokain.

Suchtaufklärung gehört in Schulunterricht

Vor diesem Hintergrund würde ich mir eine Suchtmitteldebatte wünschen

  • mit mehr Sachlichkeit, mehr Ausgewogenheit, mehr Ausrichtung an den tatsächlichen Gefahrenpotenzialen, mehr Blick aufs Wesentliche und Ganze

sowie

  • mit weniger Ideologie, weniger Polemik, weniger zweierlei Maß sowie weniger Herauspicken einzelner Suchtmittel.

 

Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass man den mit Süchten und Suchtmitteln verbundenen Gefahren am besten mit frühzeitiger Aufklärung begegnet. So etwas gehört in den Schulunterricht und müsste dort ein fester Lehr- und Lerninhalt sein.

 

Fußnoten:

[1] Drugcom.de: Bedeutung von Cannabis als Einstiegsdroge überschätzt,22.10.2010; Van Gundy, K. & Rebellon, C. (2010). A Life-course Perspective on the “Gateway Hypothesis”. Journal of Health and Social Behavior, 51, (3), 244-259.

[2] Dt Ärztebl 2001; 98: A 2590–2593 [Heft 40]

[3] Vgl. z. B. Interview mit Gernot Rücker im heute-show spezial (23. 08 2024): Alkohol – Bier sind das Volk!

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