Mein erster Besuch in der privaten Sucht- und Entzugsklinik „Lifespring“
Es ist Dienstag, der 21. August 2018. Heute ist für mich als Redakteur des neuen Blogs auf dieser Webseite so eine Art Antrittsbesuch bei „Lifespring“. Entsprechend gespannt sitze ich im Foyer. „Lifespring“, welch ermutigende und passende Namensgebung für eine stationäre Therapieeinrichtung, in der Menschen einen Neuanfang suchen – egal, ob man nun „Lebensquelle“ oder „Lebensfrühling“ als Übersetzung favorisiert. Fast schon majestätisch thront das sichtbar modernisierte aber keinesfalls protzig wirkende Gebäude dieser privaten Sucht- und Entzugsklinik auf einer Anhöhe und offeriert einen beeindruckenden Blick auf Bad Münstereifel.
Vintage-Mobiliar und Licht als Stützen der Veränderung
Ich habe derweil Platz genommen auf einem stylischen Freischwinger-Sofa im Look der 70er Jahre: Chromgestell mit scheckigem Rindnappa. Sieht gepflegt aus, mutet aber gebraucht an, als wenn es eine Menge Geschichten zu erzählen habe. Später werde ich von Emre Nal, Prokurist und Ansprechpartner fürs Operative bei Lifespring, im Rahmen der verabredeten Führung erfahren: „Das immer wieder eingestreute Vintage-Mobiliar soll bei den Patientinnen und Patienten vertraute Erinnerungen wecken – gewissermaßen als Stützpfeiler im Prozess der angestrebten persönlichen Veränderung.“
Links an der Wand steht eine Kommode auf zierlichen Beinen. Sie erinnert mich an die grazile Optik von Nierentischen aus den 60er Jahren. Schließlich fällt mein neugierig umherschweifender Blick auf eine hell strahlende Säule. Sie ist mitten in der Rundung des weitläufig gewundenen Treppenaufgangs platziert und rings herum mit Leuchtröhren bestückt. Ein Sinnbild für das Licht am Ende des Tunnels einer Sucht?
Schwer einzuschätzen, ob Sie beim Erstbetreten von Lifespring für derlei Symbolik ein Auge haben. Dennoch sind alle Räumlichkeiten dieser Privatklinik, die auf den Entzug stofflicher Süchte (Alkohol, Medikamente, Kokain, Opiate) spezialisiert ist, von einer spürbar lichten Atmosphäre geprägt. Schon die Standardzimmer und erst recht die Komfortzimmer hinterlassen mit heller und warmer Tongebung einen behaglichen Eindruck. Hier lässt es sich aushalten – auch für drei Wochen. [Anmerk. Redaktion: Diese Aufenthaltsdauer empfiehlt die S3-Leitlinie für den qualifizierten Entzug bei alkoholbezogenen Störungen. Hieran orientiert sich auch die Entzugstherapie der von Lifespring behandelten Süchte.] Große Fenster und freundliche Farben sorgen aber auch im Fitnessraum, Kreativraum, Aufenthaltsraum oder Achtsamkeitsraum für reichlich Tageslichteinfall und ein einladendes Raumklima.
Achtsamkeit und Gaumenfreuden für ein Leben ohne Sucht
Achtsamkeit ist Programm bei Lifespring. Nicht umsonst gibt es eigens einen Achtsamkeitstherapeuten. Neben den (weiter unten noch im Detail genannten) Entzugsbehandlungen fällt hierunter auch das Angebot zur Wiederentdeckung von Gaumen- und anderen Sinnesfreuden. So werden Wanderungen in der waldreichen und naturnahen Umgebung von Bad Münstereifel angeboten. Zudem gibt es einen komfortablen Wellnessbereich mit Sauna und Ruheraum. Eine besondere Aufenthaltsqualität weist aber der Speiseraum auf. Sorgfältig eingedeckte Rundtische zieren die breite Glasscheibenfront zur Terrasse und dem angrenzenden parkähnlichen Garten. „Unser Budget für die kulinarische Versorgung ist im Vergleich zu anderen privaten Suchtkliniken überdurchschnittlich hoch. Denn wir wollen unseren Patientinnen und Patienten vermitteln, dass Genuss und Lebensfreude auch ohne Suchtmittel möglich sind“, erklärt Emre.
„Du-Klinik“ und Exklusivität – Wie passt das zusammen?
Wir sind längst beim vertrauten „Du“. „Du-Klinik“ nennt Emre das. Es fördere den Zugang sowie die gleiche Augenhöhe zwischen Patienten und Team. Im gleichen Atemzug werde ich Martin mit Vornamen und „Du“ vorgestellt. Er ist der „Maître de Cuisine“ und kommt extra aus einem Nebenraum herbeigeeilt. Mit bewusst und freundlich zugewendetem Blick schüttelt er mir die Hand. Auch das nehme ich als eine Form der Achtsamkeit wahr.
Ebenso ergeht es mir bei den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, egal ob aus dem Bereich Hauswirtschaft, Pflege oder Therapie. Schon als ich noch im Foyer sitze und eine Tasse Kaffee bereits vor mir steht, werde ich wiederholt aufmerksam gegrüßt und gefragt, ob man mir weiterhelfen könne. Das nenne ich betreutes Trinken – alkoholfrei, versteht sich! Auf jeden Fall wird für mich so exemplarisch greifbar, was Emre meint, wenn er mir die Exklusivität des Lifespring-Konzepts erklärt: „Mit 22 Zimmern ist unsere Aufnahmekapazität für Patienten ganz bewusst limitiert. Denn dies ermöglicht es uns, dass auf jeden Patienten eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter kommt. Wir können so ein außergewöhnlich hohes Maß an persönlicher Zuwendung und therapeutischer Betreuung leisten.“ Konkret findet dies seinen Niederschlag zum Beispiel in dem Umstand, dass neben der täglichen Visite zweimal pro Tag jeder Patientenfall im Rahmen des kompletten Ärzte- und Therapeutenteams besprochen wird. So kann im akuten Bedarfsfall die Entzugs- und Suchtbehandlung sehr zeitnah individuell angepasst werden.
Kurze Wege zu einer wochenfüllenden Therapie
Die „Lebensquelle“ beziehungsweise der „Lebensfrühling“ beherbergt eben ein Haus der kurzen Wege – nicht nur im Hinblick zwischen Patient und Therapeut, sondern – bedingt durch die überschaubare Größe – auch räumlich gesehen. Im Speisesaal zähle ich nur fünf Tische. Wie wohltuend hebt sich dies von der Größe anderer privater Sucht- und Entzugskliniken ab. Noch im Frühjahr habe ich selbst einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Rehaklinik der Deutschen Rentenversicherung absolviert. Keineswegs eine schlechte Erfahrung, aber auch keineswegs vergleichbar mit dem geradezu intimen Flair von Lifespring. Denn hier erinnert erfreulicherweise so gut wie nichts an den krankenhausähnlichen „Charme“ anderer stationärer Entzugseinrichtungen.
Ach so, Patienten bin ich natürlich auch begegnet. Wenn ich allerdings nicht gewusst hätte, dass ich in einer privaten Sucht- und Entzugsklinik bin, hätte man glatt meinen können, es handele sich zum Beispiel um sonnenbadende Gäste eines Hotels. Damit aber kein falscher Eindruck entsteht: Es war Mittagszeit und daher gerade Therapiepause an einem sonnenreichen Tag. Emre gab mir als Anschauungsmaterial für meine „Hausaufgaben“ einen aktuellen Therapieplan mit. Der sieht von Psychotherapie, Ego-State, Suchttherapie und Psychoedukation über Drama, Achtsamkeitstherapie, Einzel- und Gruppentherapie bis hin zu Yoga, Sport- und Bewegungstherapie sowie Visite und Medikamentenausgabe einen wochenfüllenden Ablauf vor. Also auch hier ist Achtsamkeit Programm.
Resümierende Gedanken auf dem Heimweg
Auf dem Weg zurück zu meinem Büro in Köln ist mir natürlich die Frage durch den Kopf gegangen: „Könntest Du Dir selbst vorstellen, bei „Lifespring“ einen qualifizierten Entzug durchzuführen?“ Gott sei Dank brauche ich diese Frage zurzeit nur rein hypothetisch zu beantworten, da ich seit rund vier Jahren abstinent bin. Das macht natürlich einen großen Unterschied. Aber wie heißt es bei den Anonymen Alkoholikern so zutreffend: „Das nächste Glas ist immer nur eine Armlänge entfernt.“ Insofern ist auch beziehungsweise gerade auch in der Phase der Abstinenz Achtsamkeit das erste Gebot. Aber bei einem Rückfall mit Lifespring eine qualifizierte Option zu haben, wo ich mir einen weiteren Anlauf zum Entzug gut vorstellen könnte, gibt mir ein Gefühl zusätzlicher Sicherheit.