Alkohol greift in eine Vielzahl von Prozessen im menschlichen Körper ein. Dies betrifft zum Beispiel den Leberstoffwechsel oder das Zusammenspiel der Botenstoffe im Gehirn. Bei regelmäßiger täglicher Zufuhr von Alkohol über einen langen Zeitraum stellen sich der Körper und mit ihm die betroffenen Abläufe auf diese Zufuhr ein. Es tritt ein Gewöhnungseffekt auf. Wird die Zufuhr plötzlich eingeschränkt (relativer Entzug) oder vollkommen eingestellt (absoluter Entzug), geraten diese Abläufe zunächst aus dem Gleichgewicht. Im Rahmen dessen kann es zu einer ganzen Reihe von Entzugserscheinungen kommen. Diesen Komplex möglicher Symptome bezeichnet man in der Suchtmedizin als Alkoholentzugssyndrom.
Viele Beschwerden sind möglich
Die Beschwerden sind sehr breit gefächert und zu einem großen Teil relativ unspezifisch. Ohne Kenntnis einer von Alkoholsucht geprägten Vorgeschichte wird man sie daher nicht ohne weiteres einem Entzugssyndrom zuordnen können. Sie können sich zum Beispiel in grippeähnlichen Symptomen äußern, wie allgemeines Unwohlsein, Schwäche, Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen. Auch Beschwerden vergleichbar einer Magen-Darm-Grippe sind keine Seltenheit. Sie gehen einher mit Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen und Durchfällen. Herzkreislaufreaktionen mit schnellem Puls und erhöhtem Blutdruck sind ebenfalls möglich. Genauso können Erscheinungen auftreten, wie sie zum Beispiel für Stress und erhöhte Nervosität kennzeichnend sind, wie Appetitmangel, Mundtrockenheit, vermehrtes Schwitzen, Juckreiz, Schlafstörungen, Reizbarkeit sowie motorische und innere Unruhe. Seltener kann sich in den äußeren Gliedmaßen auch Wasser einlagern.
Wahrscheinlich schon eher wird man mit einer Entzugssymptomatik in Verbindung bringen: Zitteranfälle, unwillkürliche rhythmische Bewegungen zum Beispiel des Auges, eine Erweiterung der Pupillen sowie Störungen in den Bereichen von Artikulation, Bewegung und Koordination und Körperempfindung (z. B. Taubheitsgefühle). Zudem zählen sicher auch sowohl Angstattacken, erhöhte Aggressivität, depressive Verstimmungen als auch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen zu den geläufigeren Symptomen.
In der Natur der Sache liegt es, dass eine Erscheinung für jeden Entzugsprozess kennzeichnend: das Verlangen (craving) nach der suchtauslösenden Substanz, in diesem Fall nach Alkohol.
Das Delir als schwerste Entzugserscheinung
Als Vorläufer oder Hinweise auf die zwar seltenere aber zugleich auch schwerste Entzugserscheinung, das Delirium tremens, können sich Bewusstseinsstörungen, Desorientierung und Verwirrtheit, Halluzinationen, Wahnvorstellungen und epilepsieartige Krampfanfälle einstellen. Schließlich kann es im Zuge dessen auch zu einer lebensbedrohlichen Krise mit Kreislaufkollaps kommen.
Ein sich anbahnendes oder bereits eingetretenes Delir muss also sehr ernst genommen werden. Es erfordert in aller Regel eine sofortige intensiv-medizinische stationäre Betreuung und Behandlung.
Die Behandlung des Alkoholentzugssyndroms (ohne Delir)
Alle anderen Symptome eines Alkoholentzugssyndroms lassen sich ebenfalls am besten stationär behandeln. Denn nur so kann eine engmaschige Kontrolle und Überwachung des Entzugs gewährleistet werden. Sie bietet dem Patienten zudem eine ruhige und entsprechend kompetente Umgebung mit der angemessenen Zuwendung und Hilfe. Vor allem kann im Bedarfsfall jederzeit schnell eingegriffen und reagiert werden kann. Dies eröffnet eine gute Aussicht, dass es zu einem Delir erst gar nicht kommt.
Für eine Entzugsbehandlung ohne Delir ist normalerweise keine intensiv-medizinische Betreuung notwendig. Allerdings ist auf jeden Fall eine Einrichtung zu empfehlen, die auf einen qualifizierten Entzug ausgerichtet ist. Mit den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten, Kenntnissen sowie entsprechender Erfahrung lässt sich der Entzug in einer solchen Einrichtung in aller Regel durchaus erträglich gestalten. Selbst das bereits oben genannte „craving“ lässt sich dort medikamentös und psychotherapeutisch zumindest eindämmen.
Im Fokus des qualifizierten Entzugs steht zunächst die körperliche Entgiftung, die Aufrechterhaltung der Vital-Funktionen, eine geregelte Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr sowie die Behandlung und Linderung von Entzugserscheinungen. Sobald und soweit es der Zustand des Patienten zulässt, kann dann mit dem eigentlichen qualifizierten Entzug begonnen werden. Hierbei rücken auch psychische und soziale Aspekte der Sucht ins Blickfeld. So wird gemeinsam mit dem Betroffenen zum Beispiel nach den Ursachen der Sucht geforscht sowie an der Bereitschaft sowie Kompetenz zur Veränderung gearbeitet. Neben den medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten kommen hierbei nun auch die Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting sowie ergänzende Therapieansätze (z. B. achtsamkeitsbasierte Formen) zum Einsatz.
Auf den Einzelfall kommt es an
Übrigens: Der hier beschriebene Symptomkomplex muss weder in allen Erscheinungen vollständig noch gleichzeitig auftreten. Einzelne Beschwerden können ausbleiben oder sich noch zu einem späteren Zeitpunkt bemerkbar machen. Auch über das Anhalten einzelner Beschwerden oder ganz generell über den Verlauf des Entzugs lassen sich im Vorhinein nur schwer pauschale Prognosen treffen.
Wie bei den Ursachen der Sucht gilt: Es kommt auf den individuellen Einzelfall an! In diesem Zusammenhang spielen zum Beispiel folgende Faktoren eine Rolle: die Dauer der Sucht/Abhängigkeit, die Menge des in diesem Rahmen täglich verzehrten Alkohols, die körperliche und psychische Verfassung des Betroffenen, eventuell bereits eingetretene Schädigungen, unter Umständen vorliegende Begleiterkrankungen sowie individuell bedingte Verträglichkeiten. Diese und noch andere Faktoren (z. B. früher erlittene Entzugssyndrome) nehmen Einfluss auf die Ausprägung und Stärke eines aktuellen Alkoholentzugssyndroms.