Alkoholsucht Ursachen
In der suchtmedizinischen Forschung geht man heute davon aus: Die eine Ursache für die Entstehung einer Alkoholsucht gibt es nicht. Ebenso wenig lässt sich die eine typische Persönlichkeit eines Alkoholabhängigen charakterisieren. Stattdessen herrschen Erklärungsmodelle vor, die – neben dem allseits bekannten Gewöhnungseffekt (Toleranzentwicklung) und dem primären Suchtverlangen (craving) – eine ganze Palette an weiteren Faktoren Einfluss nehmen sehen. Diese Faktoren sind im biologischen, familiären, psychologischen, sozialen und sozio-kulturellen Bereich angesiedelt – und zwar in jeweils individueller Ausprägung, Konstellation und Wechselwirkung.
Jede Alkoholsucht hat ihre eigene Geschichte
Mit anderen Worten: Jede Alkoholsucht hat ihre eigene „Geschichte“. Eine der zentralen Aufgaben des qualifizierten Entzugs ist es, diese „Geschichte“ gemeinsam mit dem Betroffenen aufzudecken. Dies ist nicht immer leicht. Denn oft überlagert eine fortgeschrittene Alkoholsucht mit all ihren Auswirkungen und Folgeerscheinungen diese Geschichte beziehungsweise die eigentlichen Ursachen ihrer Entstehung.
Mögliche Ursachen und Risikofaktoren
Eine einfache Erklärung für die Entstehung einer Alkoholsucht gibt es also nicht. Daher kann das Thema „Ursachenforschung“ im Folgenden nur angerissen werden – dies auch deshalb, da längst noch nicht alle Zusammenhänge in der Suchtmedizin vollständig geklärt sind. Dennoch ist es sowohl für Betroffene selbst wie auch für diejenigen, die helfen wollen, wichtig, eine erste Vorstellung von den möglichen Ursachen und Risikofaktoren zu erhalten. Sie fördert nämlich das Verständnis dafür, dass eine Alkoholabhängigkeit wirklich eine Krankheit ist. Und zwar eine komplexe Krankheit! Sie lässt sich eben nicht nur mit „etwas“ gutem Willen, Zusammenreißen oder ähnlichem bekämpfen, sondern erfordert vor allem auch ein qualifiziertes und spezialisiertes Behandlungssetting.
Biologische Faktoren
Nach derzeitigem Kenntnisstand machen bestimmte körperliche Beschaffenheiten einen Menschen anfälliger für die Ausprägung einer Alkoholsucht. Diese können vererbt, angeboren und/oder später erworben sein. Hierzu zählen zum Beispiel
- individuell bedingte Besonderheiten in der Verstoffwechselung von Alkohol (Alkoholmetabolismus), die auch dazu führen können, dass man die negativ empfundenen Wirkungen des Alkohols (z. B. „Katererscheinungen“) deutlich abgeschwächter bis gar nicht spürt;
- spezifische durch chronischen Alkoholkonsum hervorgerufene Veränderungen in den Nervenzellen (Neuronen) und Botenstoffsystemen (z. B. NMDA, GABA, Dopamin, Serotonin, Opiatrezeptoren) des Gehirns und infolgedessen die Ausprägung eines sogenannten „Suchtgedächtnisses“;
- Eigenheiten in der Art zu fühlen, zu erleben, zu reagieren und zu handeln (z. B. zyklothymes oder irritables Temperament);
- ein Mangel am sogenannten „Glückshormon“ (Serotonin-Defizit);
- eine erhöhte Stressempfindlichkeit – eventuell ausgelöst durch frühkindlichen psychosozialen Stress und dadurch bedingten Veränderungen im Stressverarbeitungssystem des Körpers (sog. Stressachse);
- eine Frühschädigung durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft (z. B. fetales Alkoholsyndrom);
- Beeinträchtigungen im Bereich des vorderen Hirns (Frontalhirnsyndrom).
Familiäre Faktoren
Es gibt Familien, in denen es zu einer Häufung von Alkoholsucht kommt. Dies ist seit längerem bekannt und belegt. Als Ursachen kommen hierfür – wie bereits vorangehend erwähnt – ererbte (genetische) Faktoren in Betracht. Auch das ebenfalls schon oben genannte fetale Alkoholsyndrom kann hierbei eine Rolle spielen. Hinzu kommt, dass alkoholkranke Elternteile häufig nicht oder nicht hinreichend genug ihrer Rolle als frühkindliche Bezugsperson und Versorger gerecht werden können. Dies begünstigt in erheblichem Maß (früh-)kindliche Entwicklungsstörungen und Traumata. Auch hierin sehen Suchtmediziner maßgebliche Ursachen für die spätere Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit. Natürlich wirken sich ebenso die ständige Verfügbarkeit des Alkohols in einer „Suchtfamilie“ sowie das zwangsläufig damit verbundene frühe In-Berühung-kommen hiermit begünstigend auf eine spätere Abhängigkeit aus. Außerdem leben alkoholabhängige Eltern den chronischen Konsum dieses Suchtmittels und seinen Einsatz als vermeintlichen „Problemlöser“ für alles Mögliche den Kindern ständig vor. Es bleibt daher nicht aus, dass dies bei den Kindern Nachahmungseffekte auslöst. Sie werden quasi schon früh zum Leben mit Alkohol „erzogen“ und vertraut gemacht.
Schließlich bringt auch das Aufwachsen in anderweitig gestörten Familienverhältnissen Probleme und Verhaltensauffälligkeiten mit sich, die die Entstehung einer Alkoholsucht fördern. Hierzu gehören zum Beispiel häufige Gewalterfahrungen in frühen Jahren oder sexueller Missbrauch.
Psychologische Faktoren
Selbstverständlich sind gerade auch psychologische Faktoren für die Entwicklung des Suchtverlangens nach Alkohol bedeutsam. Denn Alkohol hat eine starke psychogene Wirkung, die zudem noch sehr schnell einsetzt. Dies korreliert mit der Erwartungshaltung, mithilfe von Alkohol zum Beispiel Angststörungen, Stimmungserkrankungen (z. B. Depression) oder Minderwertigkeitsgefühle „behandeln“ zu können. Dies ist in mehrfacher Hinsicht verhängnisvoll: Wenn diese „Behandlungsstrategie“ zu Beginn einer Suchtkarriere gut anschlägt und man sich tatsächlich unter Alkoholeinfluss zunächst besser fühlt, zieht dies einen starken suchterhaltenden Effekt nach sich. Außerdem ist es oft so, dass beim zu langen Ausbleiben des Suchtmittelnachschubs die auf diese Weise „behandelten“ Probleme und Beschwerden umso stärker zurückkehren. Auch dies wirkt sich suchterhaltend aus. Denn der erneute Griff zur Flasche lässt diese Probleme und Beschwerden wieder rasch verschwinden. Zumindest erlebt man das unter Alkoholeinfluss zunächst so.
Insgesamt unterscheidet man heute zwischen sechs Erwartungshaltungen, und zwar dass sich durch den Alkohol:
- Sichtweisen angenehmer und positiver darstellen,
- das persönliche und soziale Wohlbefinden steigert,
- das sexuelle Verlangen und die Potenz erhöhen,
- Macht und Aggressivität verstärken,
- das soziale Durchsetzungsvermögen verbessert und
- Stress und Spannungen reduzieren oder sogar abbauen lassen.
Schließlich können auch Probleme bei der psychischen Bewältigung einer schweren Krankheit, einer Trennung oder einer anderweitig krisenhaften Zuspitzung der persönlichen Lebenssituation zu einem Abgleiten in eine Alkoholsucht führen.
Soziale Faktoren
Zu den sozialen Faktoren, die jemand in eine Alkoholsucht treiben oder zumindest – bei entsprechender Veranlagung – ein Auslöser dafür sein können, gehören zum Beispiel: Armut, Schulabbruch, Perspektivlosigkeit, Karriereknick, Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg bzw. die Angst davor sowie ganz generell ein Mangel an sozialer Sicherheit.
Sozio-kulturelle Faktoren
Der Konsum von Alkohol ist in den Sitten und Gebräuchen unserer Kultur und Gesellschaft fest verankert. Als Genussmittel werden alkoholhaltige Getränke weder sanktioniert noch kriminalisiert – im Gegenteil, ihr – auch täglicher – Verzehr ist durchweg positiv besetzt und wird zudem offensiv beworben. In sogenannten Permissivkulturen, wie der islamischen Gesellschaft, ist das anders. Hier ist der Genuss von Alkohol verpönt oder gar verboten. Vergleicht man diese beide sozio-kulturellen Lebensweisen miteinander, so zeigt sich, dass in unserer Gesellschaft die Zahl der Alkoholmissbrauchenden in der Tat deutlich höher ist. Dies sollte allerdings nicht zu allzu vorschnellen Schlüssen verleiten. Suchtpotenziale und Abhängigkeitsprobleme gibt es in islamisch geprägten Gesellschaften auch. Nur treten an die Stelle des Alkohols dann andere Suchtmittel. Auch werden in diesen Gesellschaften Suchtprobleme nicht gerade offen kommuniziert, so dass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Wie dem auch sei, Fakt ist: Eine allseitige Verfügbarkeit, ein positives Image sowie der Trinkdruck in sogenannten Peergroups (Einfluss ausübendes Umfeld, dem sich jemand besonders zugehörig fühlt) können ebenfalls zum Entgleiten des Trinkverhaltens und der Ausprägung einer Alkoholabhängigkeit beitragen.
Ohne differenzierte Betrachtung aller Ursachen
kein nachhaltiger Therapieerfolg
Es zeigt sich also, dass es eine Vielzahl an Einflüssen, potenziellen Ursachen und Risikofaktoren gibt, die zur Entwicklung einer Alkoholsucht beitragen können. Dies mag auf den ersten Blick etwas verstörend wirken. Doch nicht jeder ist deshalb gleich zwangsläufig suchtgefährdet. Hierzu bedarf es in der Regel schon des Zusammentreffens mehrerer der aus den oben genannten Bereichen erwachsenen Anfälligkeiten (Vulnerabilitäten). Außerdem ist eine möglichst differenzierte Sicht auf alle infrage kommenden Ursachen einer Alkoholsucht ausgesprochen wichtig. Denn nur so lassen sich die richtigen therapeutischen Konsequenzen ziehen. Das heißt: Ohne differenzierte Betrachtung aller Ursachen gibt es in der Regel auch keine wirkungsvolle Therapie und keinen nachhaltigen Behandlungserfolg bei der Bekämpfung einer Alkoholsucht.
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Eine Alkoholsucht kann verschiedene Ursachen haben, die sich von Fall zu Fall unterscheiden. Bestimmte körperliche Ausprägungen können einen Menschen nach heutigem Wissen anfälliger für das Entwickeln einer Alkoholsucht machen. Dazu gehören zum Beispiel Besonderheiten im Alkoholmetabolismus (die Wirkung des Alkohols wird nur deutlich abgeschwächt empfunden), durch Alkoholkonsum hervorgerufene neurologische Veränderungen, ein Mangel an Serotonin oder eine Beeinträchtigung im Bereich des vorderen Hirns. Mehr dazu
Psychologische Faktoren gelten als besonders maßgeblich für die Ausbildung einer Alkoholsucht. Da Alkohol über eine stark psychogene Wirkung verfügt, entsteht schnell die (falsche) Erwartungshaltung, dass Angststörungen, Depressionen oder Minderwertigkeitsgefühle damit „behandelt“ werden können. Der daraus resultierende Suchteffekt ist enorm hoch. Unterschieden wird zwischen sechs gängigen Erwartungshaltungen, die als psychologische Aspekte zu einer Alkoholsucht führen können – wie zum Beispiel die Erwartung, dass Alkohol das sexuelle Verlangen und die Potenz erhöht oder das soziale Durchsetzungsvermögen verbessert. Auch die psychische Bewältigung von schwierigen Situationen wie Krankheit oder Trennung können eine Alkoholsucht begünstigen.
Tatsächlich ist seit Längerem belegt, dass es in gewissen Familien zu einer Häufung von Alkoholsucht kommt. Ursache dafür können beispielsweise genetische Faktoren oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft sein. Zudem erleben Kinder alkoholabhängiger Eltern das chronische Trinken hautnah mit, was einen Nachahmungseffekt zur Folge haben kann.