Die ersten Antidepressiva kamen bereits in der Mitte des letzten Jahrhunderts auf den Markt. So wurden bei den eigentlich als Tuberkulosemittel verwendeten MAO-Hemmern (Monoaminooxidase-Hemmer) Isoniazid und Iproniazid auch antidepressive Eigenschaften entdeckt. Das erste trizyklische Antidepressivum Imipramin (trizyklisch genannt aufgrund seiner dreifachen Ringstruktur) wurde ebenfalls in dieser Zeit entwickelt. Heute sind Antidepressiva die am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka. Dies hängt mit zweierlei zusammen: Zum einen sind moderne Antidepressiva aufgrund gezielterer bzw. selektiver Wirkmechanismen verträglicher geworden als die Präparate der ersten Generation. Zum anderen ist das Krankheitsbild „Depression“ heute kein Tabuthema mehr. Seine Bedeutung wird – gerade auch im Wechselspiel mit anderen Erkrankungen – deutlich mehr wahrgenommen und gewichtet.
Liste mit häufigen Antidepressiva
Die Liste der häufigsten Antidepressiva wird angeführt von den sogenannten „Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern“ (SSRI). Vertreter dieser Gruppe sind zum Beispiel: Fluvoxamin, Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Paroxetin und Vortioxetin. In Deutschland werden am meisten Citalopram, Sertralin und Escitalopram verschrieben. Laut Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) spielen daneben auch noch die bereits eingangs erwähnten trizyklischen Antidepressiva (kurz TZA; z. B. Amitriptylin) sowie die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (kurz SSNRI, z. B. Venlafaxin oder Duloxetin) eine Rolle. Die trizyklischen Antidepressiva werden vor allem dann als therapeutische Alternative in Anspruch genommen, wenn Patienten auf modernere Mittel nicht ansprechen.
Erwähnung verdient noch das Narkosemittel Ketamin. Ein Expertenausschuss in den USA empfiehlt es seit Anfang 2019 zur Behandlung bei depressiven Notfällen (akute Selbstmordgefahr). Mittlerweile ist es dort sogar unter der Bezeichnung Esketamin – unter strengen Auflagen – zur Behandlung schwerer Depressionen zugelassen. In der EU ist dies aber bislang noch nicht der Fall. Daher kommt es bei uns – wenn überhaupt – nur im Off-Label-Use zur Anwendung.
Antidepressiva als „Droge“?
Die allermeisten Antidepressiva entfalten frühestens erst nach einigen Tagen kontinuierlicher Einnahme ihre volle Wirksamkeit. Häufig stellt sich der erwünschte Effekt sogar erst nach zwei bis drei Wochen ein. Der Wirkungseintritt ist also im Vergleich zu klassischen Drogen stark verzögert. Außerdem fehlt es diesen Psychopharmaka an einer euphorisierenden Wirkkomponente. Als Rauschmittel sind sie daher schlicht und ergreifend ungeeignet. Die einzige bislang bekannte Ausnahme bildet der bereits oben genannte Wirkstoff Ketamin. Aufgrund seiner halluzinogenen Nebenwirkungen wird es unter Bezeichnungen, wie z. B. Special K, Vitamin K, Kate oder K, auch als Droge missbraucht. Die Aufnahme erfolgt in diesen Fällen ähnlich wie beim Kokain durch sniefen eines weißen, kristallinen Pulvers oder auch durch rauchen und spritzen. Studien sprechen dafür, dass vor allem bei täglicher Einnahme die Kontrolle über das Konsumverhalten so weit entgleitet, dass von einem entsprechenden Abhängigkeitspotenzial ausgegangen werden muss.
Entgegen häufiger Annahmen machen alle anderen Antidepressiva nicht abhängig. Auch hier gibt es allerdings eine Ausnahme: der Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Amineptin. Er ist nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz daher schon seit 2005 nicht mehr verschreibungsfähig.
Wie wirken Antidepressiva?
Studien belegen, dass Antidepressiva vor allem bei schweren Depressionen helfen. In leichteren bis mittelschweren Fällen trifft dies nicht immer so klar zu. Hier ist ihr Nutzen durchaus nicht unumstritten. Dabei fußt der Einsatz gängiger Antidepressiva vor allem auf folgender Annahme: Bei einer Depression sind – unter anderem – bestimmte Botenstoffe im Gehirn, wie zum Beispiel Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin, im Ungleichgewicht. Nervenzellen nutzen diese Botenstoffe (Neurotransmitter), um Reize weiterzuleiten. Entsprechend sind die von diesem Ungleichgewicht betroffenen Nervenverbindungen beeinträchtigt und führen daher (mit) zur Ausprägung einer Depression.
Antidepressiva wirken je nach Ansatz auf das (Rück-)Transport-, Rezeptoren- und/oder enzymgesteuerte Rückbildungs-System eines Botenstoffs (bei den selektiv wirkenden Präparaten) oder mehrerer Botenstoffe (bei den nicht selektiv wirkenden Präparaten, wie z. B. den TZA). Das Ziel ist dabei immer, die Verfügbarkeit eines oder mehrerer dieser Botenstoffe in den schmalen Zwischenräumen zwischen den Nervenzellen (synaptischer Spalt) so zu erhöhen, dass ihr Gleichgewicht verbessert bzw. wiederhergestellt wird. In Abhängigkeit der auf diese Weise beeinflussten Botenstoff-Verfügbarkeit können Antidepressiva neben ihrer stimmungsaufhellenden Komponente zum Beispiel auch antriebssteigernde, antriebsdämpfende oder angstlösende Effekte hervorrufen.
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Typische Nebenwirkungen von Depressiva sind zum Beispiel Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Müdigkeit, Probleme beim Wasserlassen, Schlafstörungen, Schwindel, Schwitzen, Störungen der Sexualität, innere Unruhe, Verstopfung und Zittern. Nicht immer lässt sich bei einzelnen dieser Erscheinungen auseinanderhalten, was Folge der Depression oder was auf die Einnahme des Antidepressivums zurückzuführen ist. Dies trifft wohl auch auf das wiederholt angeführte erhöhte Selbstmordrisiko z. B. im Zusammenhang mit der Einnahme von SSRIs zu.
Außerdem variieren die beschriebenen Nebenwirkungen je nach Wirkstoff, Dosierung, Wechselwirkung mit eventuell weiteren Medikamenten sowie individueller Verträglichkeit. Nicht selektive Präparate sind dabei aufgrund des Eingreifens in mehrere Neurotransmitter-Systeme reicher an Nebenwirkungen, während die selektiv wirkenden Substanzen aufgrund ihres gezielteren Wirkspektrums in der Regel besser vertragen werden. Vorsicht ist allerdings bei der Kombination von zwei auf den Serotoninspiegel sich auswirkenden Präparaten (z. B. SSRI plus MAO-Hemmer) geboten. Dies kann zum gefährlichen Serotoninsyndrom führen. Beim Absetzen aller Antidepressiva kann es zu Absetzerscheinungen kommen. Dieses sollte daher immer ausschleichend und auf ärztliche Anweisung erfolgen.
Antidepressiva und Alkohol
Alkohol wirkt euphorisierend. Wenn der Alkoholspiegel im Schlaf abfällt, wacht man – vor allem nach exzessivem Konsum – mit gedrückter Stimmung auf – Stichwort „Hangover“. Wenn dieser Hangover-Effekt auf ohnehin schon depressive Menschen trifft, wirkt sich das auf deren Stimmungslage zusätzlich ungünstig und kontraproduktiv aus. Dies bleibt natürlich auch für die eigentlich stimmungsaufhellende Wirkung von Antidepressiva nicht ohne Folgen. Sie wird dadurch regelrecht „unterwandert“. Deshalb raten die Beipackzettel von Antidepressiva zu Recht zur Vorsicht und Zurückhaltung beim gleichzeitigen Konsum von Alkohol. Hinzu kommt, dass allgemein die Leber durch die Kombination von Medikamenten mit Alkohol erheblich belastet wird. Auch können bestimmte Nebenwirkungen von Antidepressiva (Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen…) durch die Kombination mit Alkohol verstärkt werden.