Benzodiazepine bezeichnen eine Gruppe von verschreibungspflichtigen Wirkstoffen, die als Beruhigungs-, Schlaf- und Entspannungsmittel Verwendung finden. Namensgebend ist ihre chemische Struktur, bei der ein Benzol-Ring mit einem Diazepin-Ring verknüpft ist. Sie zählen heute weltweit zu den gebräuchlichsten Arzneimitteln. Allein in Deutschland nehmen laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bis zu 17 % der Menschen mindestens einmal jährlich ein Präparat aus dieser Medikamentengruppe ein. Geläufig sind zum Beispiel: Valium® (Diazepam), Tavor® (Lorazepam), Lexotanil® (Bromazepam) und Rohypnol® (Flunitrazepam)
Therapeutische Wirkung
Benzodiazepine verstärken die Erregungshemmung im zentralen Nervensystem. Sie docken an bestimmten Rezeptoren an und erhöhen dort die Bindungsfähigkeit der Gamma(y)-Aminobuttersäure, kurz GABA genannt. GABA ist der wichtigste erregungshemmende Botenstoff (inhibitorische Neurotransmitter) der Nervenzellen. Im Schlafzentrum des menschlichen Gehirns (Thalamus) ist GABA zum Beispiel an der Einleitung und Aufrechterhaltung des Schlafs beteiligt. Hier ist auch die „Hauptwirkungsstätte“ der Benzodiazepine. Neben ihrem schlaffördernden Effekt zeichnen sich Benzodiazepine aber auch durch ihre beruhigende sowie ihre angst-, krampflösende und muskelentspannende Wirkung aus. Diese Eigenschaften sind je nach Wirkstoff unterschiedlich gewichtet. Deshalb bieten sich bestimmte Benzodiazepine (z. B. Rohypnol) eher zur Behandlung von Schlafstörungen an, während andere zum Beispiel eine stärkere Wirkung bei innerer Unruhe, Angst und Panik (z. B. Lexotanil, Tavor) oder bei erhöhtem Muskeltonus und Epilepsie (Rivotril) zeigen.
Langzeitfolgen eines regelmäßigen Konsums
Benzodiazepine gelten als wirksam und vergleichsweise sicher. So ist bei ihnen die Gefahr einer toxischen Überdosierung viel geringer als bei Barbituraten. Ein gravierendes Nebenwirkungsrisiko birgt allerdings die Langzeiteinnahme. Selbst bei moderater Dosierung kann sich bereits nach einigen Wochen regelmäßiger Einnahme – unbemerkt – eine Abhängigkeit entwickeln. Sie äußert sich erst beim Absetzen, wenn infolge dessen Beschwerden, wie Schlafstörungen, Schmerzen, Unruhe, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Angstgefühle oder Panikattacken auftreten. Bei vorangegangener höherer Dosierung können sich auch z. B. Entfremdungsgefühle, Wahrnehmungsstörungen und sogar Selbstmordgedanken einstellen. Auch können potentiell lebensgefährliche Komplikationen wie die Entwicklung eines Delirs und Krampfanfälle auftreten. Aus diesem Grund sollten Benzodiazepine unbedingt immer nur ausschleichend und unter ärztlicher Kontrolle abgesetzt werden. Außerdem sollten sie nur nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung verschrieben werden – und auch in diesen Fällen sollte die Einnahme einen Zeitraum von 2-4 Wochen möglichst nicht überschreiten. Dennoch erfolgt eine Dauereinnahme – nicht selten missbräuchlich, aber durchaus auch z. B. bei Epileptikern aus medizinischen Gründen – über Monate, Jahre oder sogar lebenslang. Hier drohen gesundheitliche Schäden, wie körperliche Schwäche, eine eingeschränkte Konzentrations-, Merk- und Selbstwahrnehmungsfähigkeit sowie eine gefühlmäßige Abstumpfung.
Missbrauch und Abhängigkeit
Benzodiazepine bergen ein sehr hohes Missbrauchspotenzial. In Deutschland gehen Schätzungen von mehr als einer Million Benzodiazepin-Abhängiger aus. Zu den Gründen zählen
- die nach relativ kurzer Zeit, aber weitgehend schleichend und daher unbemerkt einsetzende Toleranz und Gewöhnung; sie führt zur körperlichen wie psychischen Abhängigkeit und infolge dessen zu rasch auftretenden Entzugssymptomen beim Ausbleiben der Substanz;
- das schnell einsetzende subjektive Wohlbefinden, welches bei Dosiserhöhung und/oder Anreicherung der Substanz aufgrund zu kurzer Einnahmeintervalle bei gleichzeitig langer Halbwertzeit (Verbleib im Körper!) von einer leichten Stimmungsaufhellung bis hin zu drogenhaften Rauschzuständen führt.
Letzteres gilt besonders dann, wenn ein Beikonsum z. B. von Alkohol, Barbituraten oder Opiaten stattfindet. Doch Vorsicht: Hier kann sich vor allem die atemdämpfende Wirkung der Benzodiazepine lebensgefährlich potenzieren! Außerdem sind dann suchttypische Erscheinungen, wie sozialer Rückzug, Libidoverlust, Persönlichkeitsveränderungen und unter Umständen auch Beschaffungskriminalität die Folge. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang eine andere kriminelle Ausprägung: Zum Beispiel wird Rohypnol aufgrund seiner bewusstseins- und gedächtnistrübenden Nebenwirkung auch als Vergewaltigungsdroge (K.-o.-Tropfen) eingesetzt.