Bei Tramadol handelt es sich um ein Opioid. Hierunter versteht man künstlich (synthetisch) hergestellte Arzneistoffe, die in ihrer Wirkweise dem Morphin ähneln. Morphin ist ein natürlicher Bestandteil des aus den Samenkapseln des Schlafmohns gewonnenen Milchsafts. Dieser wird zu Opium weiterverarbeitet – daher auch die hiervon abgeleitete Bezeichnung Opioid für im Labor entwickelte morphin-ähnliche Substanzen wie Tramadol.
Ein schwächeres Opioid ohne Abhängigkeitsrisiko?
Opioide, wie Tramadol, wirken unter anderem hemmend auf sogenannte Opioid-Rezeptoren im zentralen Nervensystems ein. Dadurch werden Botenstoffe zur Weiterleitung von Schmerzsignalen nur noch verringert freigesetzt. Auf diese Weise entsteht der schmerzlindernde Effekt, der im Prinzip bei allen Opioiden ähnlich ist. Unterschiede gibt es in der Wirkstärke, wobei Morphin jeweils als Maßstab zur Bestimmung dieser Wirkstärke dient. So wird die Stärke von Tramadol im Vergleich zu Morphin als zehnfach geringer eingestuft. Tramadol zählt damit zu den schwächeren Opioiden und wird zur Behandlung von mittelstarken bis starken Schmerzen empfohlen. Das Abhängigkeitsrisiko von Tramadol wird ebenfalls als vergleichsweise gering erachtet. Tramadol unterliegt daher nicht dem Betäubungsmittelgesetz und kann auf normalem Rezept verordnet werden. Neuere klinische Beobachtungen zeigen allerdings, dass das mit der Einnahme von Tramadol verbundene Abhängigkeitsrisiko keinesfalls zu vernachlässigen ist. Insofern soll die vorliegende Information einen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein hierfür zu schärfen.
Nebenwirkungen von Tramadol
Wie bei allen Arzneistoffen mit Abhängigkeitsrisiko macht es auch bei Tramadol Sinn, zwischen bestimmungsgemäßem und missbräuchlichem Gebrauch zu unterscheiden. Dies gilt selbstverständlich ebenso für die möglichen Nebenwirkungen. Der bestimmungsgemäße Gebrauch von Tramadol sieht eine Tagesdosis von bis zu 400 Milligramm vor. Im Rahmen dieser Verwendung werden als sehr häufig (bis zu 1 Patient von 10) bis häufig (bis zu 1 Patient von 100) auftretende Nebenwirkungen genannt:
- Schwindel (sehr häufig), Kopfschmerzen, Benommenheit, Schläfrigkeit, Erschöpfung;
- Übelkeit (sehr häufig), Erbrechen, Verstopfung, Mundtrockenheit;
- Schwitzen.
Kennzeichnend für den missbräuchlichen Gebrauch von Tramadol im Sinne einer Abhängigkeit ist eine Dosissteigerung, die bei einer täglichen Höchstgrenze von 400 mg nicht Halt macht. Die genauen Zusammenhänge hierzu werden im nächsten Abschnitt erklärt. Bei höheren Dosierungen sinkt vor allem die Krampfschwelle, so dass das Risiko für einen Krampfanfall steigt. Patienten, die schon früher Krampfanfälle hatten, sind in diesem Zusammenhang besonders gefährdet. Die gleichzeitige Einnahme von bestimmten Antidepressiva setzt die Krampfschwelle zusätzlich herab, so dass sich die Gefahr eines Krampfanfalls dadurch weiter erhöht.
Darüber hinaus ist bei der gleichzeitigen Einnahme von Tramadol und einem Antidepressivum auch Vorsicht im Hinblick auf ein möglicherweise drohendes Serotonin-Syndrom geboten. Denn Tramadol übt als Nebeneffekt – wie Antidepressiva – ebenfalls eine aktivierende Wirkung auf das serotonerge System aus. Daher kann es bei gleichzeitiger Einnahme von Tramadol und Antidepressiva zu einem „Überangebot“ an Serotonin kommen. Krampfartige Muskelzuckungen und Verwirrtheitszustände sind mögliche Folgen. Schwere Formen des Serotonin-Syndroms können sogar lebensbedrohlich sein. Die Gefahr eines Serotonin-Syndroms droht im Übrigen bei allen Kombinationen von Tramadol mit Wirkstoffen, die den Serotoninspiegel erhöhen. Dies gilt ganz besonders für den Beikonsum opioid-haltiger Drogen (z. B. Heroin).
Wie bereits oben unter „Nebenwirkungen“ erwähnt, ist die Dosissteigerung eines der Kennzeichen einer missbräuchlichen Einnahme von Tramadol im Sinne einer Abhängigkeit. Es dürfte fast schon selbsterklärend sein, dass dadurch die Gefahr einer Überdosierung bis hin zur akuten Vergiftung deutlich ansteigt. Eine Überdosierung oder sogar Vergiftung kann bei Tramadol erst recht zu Krämpfen, aber auch zu Erbrechen, Kreislaufkollaps und Bewusstseinsstörungen führen. In schweren Fällen kann es darüber hinaus zu komatösen Zuständen sowie zu einer Atemlähmung kommen. Dabei ist zu bedenken, dass alle Opioide nicht nur die Schmerzempfindung, sondern auch die Atmung dämpfen. Beim bestimmungsgemäßen Gebrauch von Tramadol unter Beachtung der Tages-Höchstdosis von 400 mg wird das Risiko für eine Beeinträchtigung der Atmung (Atemdepression) als gering eingestuft. Wird jedoch im Rahmen einer abhängigkeitsbedingten Dosissteigerung eine Überdosierung in Kauf genommen, steigt das Risiko für eine Atemdepression selbstverständlich an. Dies gilt umso mehr, wenn die Überdosierung den Grad der Vergiftung erreicht.
Abhängigkeit
Bei Tramadol wird der Anreiz zu einer missbräuchlichen Verwendung durch die Darreichungsform beeinflusst. Tramadol ist in Tabletten- oder Tropfenform erhältlich. Bei Tabletteneinnahme beginnt die Wirkung – leicht verzögert – innerhalb von einer Stunde einzusetzen. Im Vergleich hierzu flutet die Wirkung von Tramadol beim Schlucken in Tropfenform so schnell an, dass es zu einer leichten Euphorie und einer als angenehm empfundenen Entspanntheit kommt. Laut Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) besteht hierin das Hauptrisiko für die Entstehung einer Sucht beziehungsweise Abhängigkeit bei der Einnahme von Tramadol. Dies gilt besonders für Menschen, bei denen ohnehin schon eine Suchtveranlagung vorliegt.
Problematisch ist dabei, dass sich bei längerer Anwendung von Opioiden typischerweise ein Gewöhnungseffekt einstellt. Dies trifft auch auf die Wirkung von Tramadol zu. Dass bedeutet: Um die oben beschriebene Euphorie und Entspanntheit mit gleicher Intensität beziehungsweise überhaupt noch zu verspüren, muss die Dosierung mit der Zeit immer weiter gesteigert werden. Auf diese Weise kann es natürlich leicht zu Einnahmedosen kommen, die über dem zulässigen Tageshöchstwert von 400 mg liegen. Infolgedessen steigt die Gefahr für das Eintreten der oben genannten Nebenwirkungen im Rahmen eines nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs.
Ist man an diesem Punkt der missbräuchlichen Einnahme angelangt, ist es nicht einfach, von Tramadol wieder loszukommen. Denn das Absetzen von Opioiden geht – vor allem nach vorausgegangener längerer und höherer Dosierung – mit unangenehmen Entzugserscheinungen einher.
Neben dem Verlangen nach der Substanz, der Dosiserhöhung infolge Gewöhnung sowie körperlicher Entzugserscheinungen nennt die amtliche Klassifikation von Diagnosen in Deutschland (ICD 10) fünf weiteren Kennzeichen einer Abhängigkeit. Hierzu zählen der Kontrollverlust bezüglich Beginn, Beendigung und Menge des Konsums, Substanzgebrauch zur Linderung der Entzugssymptomatik, das Außer-Acht-lassen von gesellschaftlichen Regeln, die Vernachlässigung anderer Interessen sowie der anhaltende Konsum trotz eindeutig schädlicher Folgen. Liegen insgesamt drei dieser Kennzeichen vor, sprechen Ärzte von einem Abhängigkeitssyndrom. Die Auflistung dieser Kriterien kann daher als erster Anhaltspunkt zur Überprüfung dienen, ob ein Tramadol-Gebrauch die Züge eines Abhängigkeitssyndroms trägt.
Entzug von Tramdol
Als Königsweg für das Absetzen von Opioiden wird ein schrittweises Herabdosieren des bis dahin eingenommenen Originalwirkstoffs empfohlen. Dies gilt für rezept- und BtM-pflichtige Präparate ebenso wie für einen bestimmungs- und nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch. Beim Absetzen niedrigerer Dosierungen kann das Ausschleichen zum Beispiel über zwei bis drei Wochen erfolgen. Bei höheren Dosierungen empfiehlt sich ein deutlich längerer Zeitraum, in dem die Tagesdosis zum Beispiel zunächst nach jeweils einigen Tagen um 100 mg, anschließend um 50 mg und so weiter reduziert wird.
Bei einem schlagartigen Absetzen drohen hingegen die für Opiate typischen Entzugserscheinungen. Hierzu zählen
- Grippe-ähnliche Beschwerden mit Unwohlsein, Schwächegefühl, Muskel-/Gelenkschmerzen, verschnupfte Nase, Niesen sowie Wechsel zwischen Schüttelfrost und Hitzewallungen;
- Magen-Darmbeschwerden und Durchfälle;
- Schlafstörungen und Unruhe – sowohl innerlich als auch in Form eines Restless-Leg-Syndroms (Beinunruhe);
- Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen.
Diese Symptome gelten aus rein medizinisch-klinischer Sicht zwar als vergleichsweise ungefährlich und bei Bedarf auch gut behandelbar. Sie werden aber von den Betroffenen selbst – zumindest unbehandelt – als sehr unangenehm bis bedrohlich empfunden. Ist dem Entzug darüber hinaus ein missbräuchlicher Konsum im Sinne der bereits vorangehend beschriebenen Abhängigkeit vorausgegangen, gesellt sich ein – ohne Hilfe von außen – nur schwer zu beherrschender Suchtdruck hinzu. Die Gefahr, dann doch wieder „einzuknicken“ und zur Symptomlinderung das bisher eingenommene Opioid einzunehmen, ist in diesen Fällen besonders hoch. Insofern empfiehlt sich bei Vorliegen eines ausgeprägten Abhängigkeitssyndroms in jedem Fall ein qualifizierter Entzug – unter Umständen mit anschließender Entwöhnungsmaßnahme. Entsprechend spezialisierte Einrichtungen können Hausärzte oder örtliche Suchtberatungsstellen nennen. Selbstverständlich stehen auch unsere Suchtexperten für ein erstes unverbindliches Beratungsgespräch gerne zur Verfügung. Denn als Fachklinik für stoffliche Süchte ist Lifespring ebenfalls auf Entzug und Entwöhnung bei Opioid-Abhängigkeit ausgerichtet.