Antidepressiva sind Psychopharmaka und werden vor allem zur Behandlung von Depressionen, mittlerweile aber auch bei Angst- und Zwangsstörungen eingesetzt. Ihre Wirkung variiert je nach Arzneistoff. Das Medikament kann sich stimmungsaufhellend, beruhigend, antriebssteigernd, antriebsdämpfend oder angstlösend auf den Betroffenen auswirken. Leider können Antidepressiva (wie alle Medikamente) auch Neben- und Wechselwirkungen hervorrufen, sodass eine Behandlung oftmals zwar die ursprünglichen negativen Symptome lindert, der Patient dafür aber nicht selten mit neuen zu kämpfen hat – gerade wenn er Antidepressiva absetzt.
Nichtsdestotrotz sollte man sich bei der Abwägung, ob man ein Antidepressivum einnimmt, bewusst machen, dass auch eine unbehandelte Depression ganz erhebliche „Nebenwirkungen“ und Auswirkungen auf das Leben des Betroffenen hat.
Antidepressiva und Abhängigkeit
Antidepressiva haben einen schlechten Ruf. Grund dafür ist die Angst vor der Abhängigkeit und den möglichen Nebenwirkungen. Dabei sind sich viele nicht darüber im Klaren, dass Antidepressiva nicht zu den Substanzen gehören, die abhängig machen. Sie verfügen also über kein eigenes Suchtpotenzial. Entzugserscheinungen gibt es beim Absetzen also genau genommen nicht – Beschwerden, die bei einem Einnahmestopp oder eine Dosisreduktion auftreten, werden stattdessen Absetzerscheinungen oder Absetzsymptome genannt. Es kommt aber durchaus vor, dass Antidepressiva von Suchtkranken zur Wirkungsverstärkung ihrer Drogen eingesetzt werden, auf die sie dann natürlich ungern verzichten möchten. Eine primäre Abhängigkeit ist es jedoch nicht.
Dennoch wird die Frage nach der Abhängigkeit – allein schon wegen der häufig auftretenden Beschwerden beim Absetzen – zurzeit viel diskutiert. Manche Ärzte verweisen dabei auf die Ähnlichkeit zu Entzugserscheinungen beim Drogenentzug. Trotzdem werden Suchtkranken während eines Drogenentzugs, etwa zur Behandlung depressiver Symptome, durchaus Antidepressiva verabreicht. Deren Einnahme wird dabei häufig auch nach der Suchtbehandlung fortgeführt, sodass es durch die fehlende Kontrolle des Arztes zu einem Missbrauch, also einer nicht-bestimmungsgemäßen Anwendung kommen kann.
Antidepressiva ausschleichend absetzen
Auch, wenn Antidepressiva keine Suchtmittel sind, ist es trotzdem wichtig, sie nicht abrupt abzusetzen und sein Vorhaben mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Gerade bei den neueren Antidepressiva (z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI abgekürzt) kann es nach längerer Einnahmezeit zu Absetzproblemen kommen. Daher sollte die Dosierung am Ende einer Behandlung ausgeschlichen, also nach und nach reduziert werden. Je nach vorangegangener Einnahmedauer sollte dieser Ausschleichprozess über Tage bis Wochen durchgeführt werden. Eine Überwachung durch einen Arzt sowie eine regelmäßige und enge Absprache mit ihm ist sehr zu empfehlen.
Entgiftung und Entzug
Da Antidepressiva kein eigenes Suchtpotenzial haben und nicht als Droge gelten, gibt es weder eine professionelle bzw. festgeschriebene Entgiftung noch einen Entzug im eigentlichen Sinn. In den letzten Jahren wurde dennoch eine Art „Entzugsschema“ beim Absetzen von SSRI beobachtet, das sich in zwei Phasen unterteilen lässt:
- die „Entzugsphase“, bestehend aus unterschiedlichen neuen Beschwerden und sogenannten Rebound-Symptomen (z.B. Antriebslosigkeit oder Unvermögen, Freude zu empfinden). Diese Symptome können mitunter noch stärker sein als die, die der Betroffene während seiner Depression hatte. Sie können bis zu sechs Wochen andauern.
- der „Langzeitentzug“, der über Monate bis Jahre gehen kann. Hier können Symptome, wie etwa Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen, auftreten.
Entzugserscheinungen
Antidepressiva machen zwar nicht süchtig, rufen aber oft ein Absetzphänomen hervor, wenn die Einnahme plötzlich eingestellt wird. Das betrifft insbesondere die Antidepressiva Venlafaxin (Efexor), Duloxetin (Cymbalta) und Paroxetin (Deroxat). Setzt man zum Beispiel Venlafaxin ab, entstehen häufig grippeähnliche Symptome und Ängste. Bei den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern werden zudem Absetzerscheinungen beschrieben, die trotz des langsamen Ausschleichens auftreten können. Die Symptome sind hier Schwindel, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwitzen und Angst- oder Panikschübe. Teilweise können auch sensorische Störungen, wie etwa Parästhesien (z.B. Kribbeln oder Taubheitsgefühle im Körper) auftreten. Viele Ärzte verschreiben Psychopharmaka wie Antidepressiva sehr schnell und machen sich nur wenig Gedanken über die möglichen Probleme beim Absetzen. Diese werden häufig unterschätzt, da sie in der Regel innerhalb weniger Wochen verschwinden – aber eben nicht immer. Daher fordern einige Mediziner eine intensivere systematische Forschung in diesem Feld. Dass Antidepressiva nicht als Mittel mit Abhängigkeitspotenzial gelten, führe nämlich dazu, dass die mit dem Absetzen einhergehenden Symptome zu wenig beachtet würden.
Dauer des Entzugs
Laut der von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellten S3-Leitlinie zur unipolaren Depression sollen Antidepressiva nach und nach über einen Zeitraum von vier Wochen abgesetzt werden. Oft sind die Symptome wie Panikattacken oder Kopfschmerzen aber so massiv, dass die Dosis nach einer Reduzierung wieder erhöht werden muss. Somit kann sich der „Entzug“ auch über Monate, in extremen Fällen auch über Jahre ziehen.