Unter einem Rückfall versteht man das „Abrutschen“ ins alte Trinkverhalten aus der Zeit vor Beginn einer Abstinenz. Aus heutiger Sicht gilt diese Lesart aber eigentlich als überholt. Zum einen sagt der Begriff nichts über die Schwere und Dauer des „Abrutschens“ aus. Zum anderen schwingt bei ihm von vorneherein etwas Negatives mit. Denn mit einem Rückfall verbindet man das „Verspielen“ bereits erreichter Fortschritte. Insofern haftet dieser Bezeichnung der Beigeschmack der Schwäche, des persönlichen Scheiterns und/oder des Therapieversagens an.
Der Rückfall“ als Auslöser erneuter Sucht
Auch der Anschein von Selbstaufgabe, Resignation, mangelndem Abstinenzwillen, fehlender Einsicht oder ähnlichem mischt sich schnell unter diesen Beigeschmack. Dann ist es nicht mehr weit, sich mit Selbstvorwürfen zu martern oder sich Vorhaltungen des sozialen Umfelds anhören zu müssen. In dieser sensiblen und schwierigen Phase kann das in der Tat ein Auslöser sein, sich der Sucht wieder vollends hinzugeben – ganz nach dem Motto: „Bringt ja eh nichts!“ oder „Kann man nichts machen!“
Der Rückfall als konstruktive Unterbrechung
Mittlerweile liegt der Bezeichnung „Rückfall“ daher ein wesentlich wertfreieres und vorbehaltsloseres Verständnis zugrunde. Zunächst einmal wird der Rückfall als Teil der Abhängigkeitserkrankung angesehen. Außerdem differenziert man zwischen erneutem Alkoholkonsum mit Kontrollverlust (relapses) oder einem kurzem Ausrutscher ohne Kontrollverlust (slips). Außerdem betrachtet man den Weg zur Abstinenz als Prozess. Dieser Prozess benötigt Zeit. Auch sollte er nach aktueller Interpretation so angelegt sein, dass ein Rückschlag nur vermeintlich als solcher zu bezeichnen ist. Viele Abhängige kommen nicht umhin, einen oder sogar mehrere Rückfälle in Kauf nehmen zu müssen. Denn sie sind oft notwendiger Bestandteil des Wegs hin zu einer nachhaltigen Abstinenz. Insofern stellt ein Rückfall eher eine Unterbrechung dar, ohne gleich die ganze Entwicklung zunichte gemacht und das dabei anvisierte Endziel aus den Augen verloren zu haben.
Nachvollziehbar ist natürlich, dass eine solche Unterbrechung zu einer Verunsicherung und zu einem Infragestellen führt. Dies ist sogar wünschenswert. Denn jeder Rückfall kann und sollte dazu führen, dass man die Richtung und Strategie des Entzugs beziehungsweise der Entwöhnung überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Ein Rückfall bietet also durchaus eine konstruktive Chance zur Neuorientierung.
Mögliche Ursachen und Trigger für einen Rückfall
Wichtig ist allerdings, dass man nicht zulange in der Phase des Rückfalls verharrt. Stattdessen sollten sich Betroffene möglichst schnell nach fachlicher Hilfe umsehen. Wo solche Hilfe zu finden ist, erfahren Sie im Artikel „Alkoholsucht Hilfe“. Gemeinsam mit den Ansprechpartnern zum Beispiel einer Suchthilfeeinrichtung können dann die Ursachen für den akuten Rückfall ergründet werden. Als mögliche Ursachen oder auch Trigger kommen zum Beispiel in Betracht:
- belastende und stressende Lebenssituationen;
- unlösbar erscheinende Konflikte z. B. in Partnerschaft und/oder Beruf;
- Selbstzweifel, es auf Dauer ohne Alkohol zu schaffen;
- das Aufsuchen von bestimmten Orten (z. B. ehemaliges Stammlokal) und/oder Zusammentreffen mit bestimmten Menschen (z. B. ehemalige Trinkkumpane), die man mit dem früheren Alkoholkonsum assoziiert;
- ein- oder zweimaliger Alkoholkonsum als Ausrutscher (slip – siehe oben);
- Nahrung zu sich nehmen, deren Geschmack an Alkohol erinnert (z. B. entsprechend aromatisierte Süßspeisen, alkoholfreies Bier) oder die Alkohol enthält (z. B. alkoholhaltige Soße, Pralinen etc.);
- alkoholaffine Events, wie zum Beispiel karnevalistische Veranstaltungen, in deren Rahmen man oft zum Mittrinken animiert wird.
Ein Rückfall muss keine Katastrophe sein
Manche dieser Ursachen und Trigger kann man vielleicht vermeiden oder diesen zumindest eine Zeit lang aus dem Weg gehen. Dennoch wird es kaum gelingen, für den Rest seiner Tage nie mit Versuchungen und Risikosituationen in Berührung zu kommen. Die Gefahr eines Rückfalls ist für einen suchtkranken Menschen deshalb vom Grundsatz her lebenslang gegeben. Umso wichtiger ist es zu verinnerlichen, dass ein Rückfall keine Katastrophe sein muss. Ob er sich wirklich als fatal oder nicht fatal erweist, hängt allein davon ab, wie man mit einem Rückfall umgeht. Man kann nämlich aus einer Rückfallsituation ebenso gut auch gestärkt hervorgehen. Dies gelingt zum Beispiel, wenn man ihn als Lehre annimmt. Und zwar als Lehre dafür, worauf man in Zukunft im Sinne der Rückfallprophylaxe besser achten muss.