Was ist eigentlich eine Dramatherapie?

Was ist eigentlich eine Dramatherapie?

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Im Wochenplan „Therapie“ der privaten Sucht- und Entzugsklinik „Lifespring“ stolpert man immer wieder über den Begriff „Drama“. Die Phase, die dem Einstieg in den Ausstieg einer Sucht vorausgeht, mag durchaus etwas von einem Drama haben. Aber hier ist sicher etwas anderes gemeint. Also frage ich als Redakteur dieses Blogs nach – und zwar bei Sjeng. Denn er arbeitet im Entzugsangebot von Lifespring als „Dramatherapeut“ und erklärt mir, was er mit seinen Patienten „anstellt“.

„Du schreibst jetzt bitte ein Drehbuch!“

Stell Dir vor, Du betrittst einen Raum und findest Dich unvermittelt auf einer Bühne wieder. Verunsichert lässt Du Deinen Blick schweifen. Zur Linken sitzt das Publikum – alles Mitpatientinnen und Mitpatienten, die Dich aus erwartungsvollen Augen anschauen. Und rechts sitzt der Therapeut. Er gibt Anweisung aus dem „off“:

„Du schreibst jetzt bitte ein Drehbuch. Dann übernimmst Du den Part des Regisseurs und sorgst für eine bühnenreife Aufführung. Vergiss bitte aber nicht, auch die passenden Requisiten zu besorgen. Und schließlich schlüpfst Du in die Rolle des Hauptdarstellers und spielst das Stück.

Irritiert wirfst Du ein:

„So etwas habe ich noch nie gemacht. Wie soll ich das denn anstellen?“

Der Therapeut zuckt mit den Schultern und antwortet lakonisch:

„Das weiß ich auch nicht!“

Spätestens jetzt hat er bei Dir eine der großen menschlichen Antriebskräfte geweckt: die Wut! Entsprechend bissig entgegnest Du:

„Aber ich will doch bloß mein Leben zurück und nicht Theater spielen lernen!“

Der Therapeut bleibt indes beharrlich und stellt fest:

„Ja, genau darum geht’s. Deshalb sind wir hier.“

Suchtbefreite Hauptrolle auf der Bühne Deines neuen Lebens

Und plötzlich dämmert es Dir: Du stehst auf der Bühne Deines eigenen Lebens. Das Drehbuch, welches Du schreiben sollst, handelt ebenfalls von Deinem Leben – Deinem neuen Leben. Selbstverständlich führst Du in diesem neuen Dasein auch Regie. Denn wer sollte es sonst tun? Etwa weiterhin Deine Sucht? Als Requisiteur besorgst Du Dir für diesen angestrebten „Regiewechsel“ die entsprechende Ausstattung. Und schließlich spielst Du, sonst würde ja alles keinen Sinn machen, in diesem neuen Stück auch die – nun suchtbefreite – Hauptrolle.

Übrigens: Sjeng ist Niederländer. Und nicht Chinese, wie der Name vielleicht zunächst vermuten lässt. Sein Name wird wie das kölsche „Schäng“ ausgesprochen und geht ebenso wie sein domstädtischer Namensvetter auf das französische „Jean“ zurück. Ein Sinnbild dafür, wie eng wir in Rheinland und Eifel mit unseren europäischen Nachbarn verbunden sind: in der Namensgebung und offensichtlich wohl auch in den Problemen der Sucht. Nur dass in den Niederlanden das Therapiespektrum breiter ist, und damit auch das der Therapeuten. Dies erklärt auch, warum ein gelernter Regisseur wie Sjeng den Weg zum Beruf des „Dramatherapeuten“ finden konnte.

Du musst rausgehen und es Dir selbst erschaffen

Vor ein paar Tagen bin ich im Netz auf folgendes Zitat von Joel Brown gestoßen: „Du kannst Dir nicht einfach ein besseres Leben wünschen. Du musst rausgehen und es selbst erschaffen.“ Ein Regisseur tut im Prinzip ja nichts anderes: Er erweckt Figuren und ihre Geschichten zu neuem Leben. Und genau das ist auch das Wirkprinzip des Ansatzes einer Dramatherapie.

Über den Autor
Autor Frank Frank
Im Sommer 2018 bin ich von Lifespring mit der Redaktion dieses Blogs betraut worden und der Autor dieses Beitrags. Mein Name ist Frank. Seit vielen Jahren arbeite ich als freier Redakteur, Texter und Lektor. Auch ich habe eine „Suchtkarriere“ durchlebt. Bei mir war es der Alkohol. Seit 7 Jahren bin ich abstinent. Ich will hier nicht den häufig bemühten Himmel-Hölle-Vergleich bemühen. Denn beim Durchleiden meiner Sucht war nicht alles Hölle. Und jetzt, im Zustand der „Enthaltsamkeit“, ist nicht nur der Himmel auf Erden. Trotzdem war der Ausstieg aus einem alkoholschwangeren Leben die beste Entscheidung, die ich in jüngerer Zeit getroffen habe. Ich habe meine Freiheit und einen überwiegend klaren Kopf zurückgewonnen – auch wenn das Weltgeschehen mit nüchternem und enteuphorisiertem Blick nicht immer leicht zu ertragen ist. In diesem Blog möchte ich unter anderem über aktuelle Themen aus der Suchtforschung, aus dem Klinikalltag von Lifespring sowie aus den behandelten Suchtindikationen berichten. Ganz besonders möchte ich aber eins: Sie, als Betroffene oder Betroffenen, und Ihre unter Umständen ebenfalls betroffenen Angehörigen, genau da „abholen“, wo Sie der Schuh beziehungsweise die Sucht drückt.
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