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April 2023

Ist Cannabis harmlos oder gefährlich?

Diese Frage bewegt zurzeit viele Gemüter in Deutschland. Anlass und Hintergrund ist die bevorstehende Legalisierung dieses beliebten Rauschmittels. Gerade erst hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach seine diesbezüglichen und schon im Herbst letzten Jahres vorgestellten Pläne weitergehend konkretisiert. Insofern ist die Thematik ebenso aktuell wie brisant. Denn wenn es so kommt, bedeutet das nicht weniger als einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik unseres Landes. Von daher wundert es nicht, dass sofort Stimmen laut werden, die dies als „Wahnsinn!“ bezeichnen.

Das Lager der Befürworter und Profiteure ist groß

Andere wiederum bedenken die Pläne mit Lob und klatschen zustimmend Beifall. Hierzu werden wahrscheinlich auch die rund 4,5 Millionen Erwachsenen zwischen 18 bis 64 Jahren gehören, die Cannabis laut Suchtsurvey 2021 zumindest gelegentlich konsumieren. Für aus rein medizinischen Gründen Interessierte dürfte dieses Thema ebenfalls von Belang sein. Bereits 2017 erfolgt eine Zulassung von Cannabis-haltigen Medikamenten für bestimmte Indikationen wie zum Beispiel chronische Schmerzen. Damit scheint das nützliche Potenzial von Cannabis aber noch nicht ausgeschöpft zu sein. Denn es werden weitere therapeutische Anwendungen diskutiert und erforscht.

Zudem gibt es natürlich diejenigen, die ein lukratives Geschäft in der Cannabislegalisierung wittern. Dies sind zum Beispiel Firmen in Nachbarländern mit bereits liberalisierter Drogenpolitik, wie etwa die Schweiz. Sie haben sich dort auf Anbau, Herstellung, Lieferung und Vertrieb von qualitativ standardisierten Hanfsubstanzen spezialisiert. Und nicht zuletzt verspricht sich auch der deutsche Fiskus von einer Zulassung – zumindest längerfristig gesehen – zusätzliche Einnahmen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass aufgrund der bisherigen Schwarzmarkthandhabung fast alle diesbezüglichen Einnahmen komplett „steuerfrei“ an den Finanzkassen vorbeigeflossen sind.

Das Lager der Befürworter und möglichen Profiteure einer Cannabislegalisierung ist also keineswegs als marginal anzusehen. Ganz im Gegenteil, denn hinzuzurechnen ist der Wille der zurzeit auf Bundesebene politisch Verantwortlichen. Insofern dürfte es wohl – wie angekündigt – im Verlauf dieses Jahres zu einer straffreien Verfügbarkeit von Cannabis kommen – auch wenn dem noch Hürden aus dem geltenden Recht entgegenstehen.

Das Ende der Verbotspolitik – Für und Wider

Anvisiert wird die Freigabe von Cannabis für den Genuss- und Eigengebrauch allerdings nur unter Auflagen. Geplant sind unter anderem ein Mindestalter von 18 Jahren, ein bis auf 25 g limitierter Erwerb in speziellen Cannabis-Clubs sowie der erlaubte Eigenanbau von bis zu 3 Pflanzen. Dennoch ruft die Neuausrichtung der künftigen Handhabung von Cannabis – wie bereits im Vorspann erwähnt – Kritiker und Gegner auf den Plan. Einer ihrer Einwände lautet: Die Legalisierung setze das falsche Signal an junge Menschen. Denn es verleite zu dem Gedanken, dass das, was erlaubt sei, nicht gefährlich sein könne.

Wirft man daraufhin einen Blick in Länder, die den Umgang mit Cannabis bisher lockerer als die Bundesrepublik gehandhabt haben, fällt dieser in der Tat nicht gerade ermutigend aus. Erst im Januar dieses Jahres habe ich einen Blogartikel zum ebenso robusten wie erfolgreichen kriminellen Kokainhandel veröffentlicht. Im Rahmen dessen spielten die bedrückenden Folgen einer offensichtlich außer Kontrolle geratenen Drogenpolitik in Belgien und den Niederlanden eine zentrale Rolle. Galten die Niederlande lange als Musterbeispiel eines liberalen Umgangs mit Rauschmitteln, droht die Cannabis-Hochburg Amsterdam nun den dortigen Coffeeshops mit drastischen Beschränkungen. So soll der Verkauf an Touristen komplett unterbunden werden. Grenznahe Städte, wie zum Beispiel Maastricht, haben solche Maßnahmen bereits in die Tat umgesetzt. Das gibt einem zu denken.

Andererseits argumentiert der Bundesgesundheitsminister, dass die Verbotspolitik in Deutschland ihre Ziele ebenfalls verfehlt habe. Der Cannabiskonsum konnte dadurch nämlich in keinster Weise gesenkt werden. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland sogar bei der Verbreitung von Cannabis laut Erkenntnissen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) einen der vorderen Plätze. Und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verzeichnet vor allem unter jungen Erwachsenen (18- bis 25jährige) in den letzten Jahren einen rasanten Anstieg beim Cannabiskonsum. Von daher sieht man in der Ampelregierung Reformbedarf. Mit der staatlich reglementierten Zulassung von Cannabis will man vor allem den Umlauf vom verunreinigtem und in seiner Wirkung unberechenbarem Schwarzmarkt-Material eindämmen. Hiervon erhofft man sich eine Verbesserung des Jugend- und Gesundheitsschutzes.

„Die haben doch alle gekifft. Wusstest du das nicht?“

Ich selbst stehe dem Thema Cannabis relativ unvoreingenommen gegenüber, da es mir hierbei weitgehend an persönlicher Erfahrung mangelt. Als Heranwachsender hatte ich bei einer Gelegenheit aus Neugier am Joint eines Kumpels gezogen. Es schmeckte nicht besonders gut, und die versprochene Wirkung blieb ebenfalls aus. Deshalb ließ ich künftig „die Finger davon“. Jahrzehnte später kam ich ein weiteres Mal mit diesem Rauschmittel in Berührung – jedoch nur als Beobachter.

Bei Bekannten war ich zu einer Gartenparty eingeladen. Im fortschreitenden Verlauf des Abends hatten sich im Hobbyraum der Gastgeber rund ein Dutzend Gäste um einen Tisch versammelt. Die Stimmung war so ausgelassen, dass ich mich gerne dazugesellte. Was auffiel: Eine der Anwesenden war mir seit langem als stets missmutig gelaunte „Spaßbremse“ bekannt. Doch plötzlich war sie total aufgedreht und albern. Bei den anderen war es ganz ähnlich, und jeder drittklassige Comedian hätte hier ein dankbares Publikum gefunden. Denn gefühlt alles, was man vom Stapel ließ, löste Lachsalven aus.

Doch irgendwann kippte die Stimmung. Jemand brach aus nichtigem Anlass in Tränen aus, während andere fluchtartig den Raum verließen und später mit bleichem Gesicht zurückkamen. Später erfuhr ich, dass sie sich im Garten übergeben hatten. Eine ebenfalls anwesende Freundin sah meine verwunderten Blicke und klärte mich auf: „Die haben doch alle gekifft. Wusstest du das nicht?“ Nein, wusste ich nicht. Aber nun fiel es mir natürlich wie Schuppen von den Augen. Wie auch immer, die gute Laune war dahin und ich trat mit recht zwiespältigen Gefühlen den Heimweg an.

Aufklärung zwischen Verteufelung und Verharmlosung

Nun jedoch liefert mir das Eckpunktepapier, in dem die Ampelregierung ihr Vorhaben im Herbst letzten Jahres erstmals vorstellte, ein Stichwort, um mich erneut mit dem Thema Cannabis zu beschäftigen. Denn neben den bereits oben geschilderten Auflagen soll die Freigabe an Aufklärungs- und Präventionskampagnen sowie an zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote geknüpft sein. Dies entspricht exakt meinem beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt, den man als „Psychoedukation“ bezeichnet. Hierunter versteht man die laiengerechte Aufbereitung von medizinisch-wissenschaftlichen Zusammenhängen.

Des Weiteren zählt dazu auch die Aufklärung über potenzielle Gesundheitsgefahren sowie die Information darüber, wie sich diese im Sinne der Prävention abwehren lassen. Die Kunst besteht dabei, sich nicht im Spannungsfeld zwischen Verharmlosung und Verteufelung zu verzetteln, sondern gesichertes und evidenzbasiertes Wissen zu vermitteln. Damit möchte ich meinen Leserinnen und Lesern „Instrumente“ an die Hand geben, kenntnisreiche Entscheidungen treffen zu können. Ob dieses Angebot angenommen wird und welche Schlüsse hieraus gezogen werden, muss jeder selbst wissen. So ist auch das zu verstehen, was nun als Antwort auf die eingangs gestellte Frage folgt: „Ist Cannabis harmlos oder gefährlich?“

Hohe Anziehungskraft und Suchtpotenzial

Zunächst einmal gilt es festzuhalten: Die Wirkung von Cannabis übt eine nicht unerhebliche Anziehungskraft auf Menschen aus. Die Substanz kann zwar individuell sehr unterschiedliche Empfindungen auslösen. Dennoch eilt ihr der Ruf voraus, einen regelrechten Rausch positiver Emotionen, das sogenannte „high sein“, zu erzeugen. Nicht umsonst rangiert es von daher in Deutschland nach Tabak und Alkohol auf Platz drei der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen. So ist es auf der von der BZgA betriebenen Webseite CANNABISPRAEVENTION.DE nachzulesen. Ebenfalls steht dort aber auch, dass sich das „high sein“ schnell in einen Horrortrip mit zum Beispiel Angst, Panik und Wahnvorstellungen verwandeln kann.

Eine weitere Tatsache ist: Cannabis kann süchtig machen – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz. Denn Studien schätzen, dass etwa 9 Prozent der Cannabiskonsumenten eine Abhängigkeit entwickeln. Allein in Deutschland trifft dies aktuell auf bereits über 300.000 Personen zu. So teilt es die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) mit und bezieht sich dabei auf Hochrechnungen des Suchtsurveys 2018. Drei Jahre später hält die Suchtberichterstattung des Bundes fest, dass bei jedem vierten Cannabis-Konsumenten ein problematischer Konsum besteht. Dieser Personenkreis stellt im Hinblick auf das Suchtpotenzial von Cannabis die eigentliche Risikogruppe dar. Ich werde darauf weiter unten noch genauer eingehen.

Nicht als Fakt erweisen konnte sich indes der Ruf von Cannabis als klassische Einstiegsdroge. Der Generalverdacht, dass Cannabiskonsum mit hohem Risiko einen Umstieg auf andere beziehungsweise härtere Rauschmittel nach sich zieht, gilt schon seit längerem als wissenschaftlich nicht haltbar. So berichtet es zum Beispiel die ebenfalls von der BZgA betriebene Webseite „drugcom.de“.

Woran bemisst sich die Wirkstärke?

Hinreichend belegt ist hingegen, dass das über den Schwarzmarkt in Umlauf gebrachte Material starken Schwankungen im Hinblick auf Qualität und Zusammensetzung unterliegt. Dies birgt unberechenbare gesundheitliche Gefahren.

Das Verhältnis von THC und CBD

Der hauptsächlich psychoaktive Wirkstoff der Cannabispflanze ist Tetrahydrocannabinol (THC). Wieviel THC im erworbenen Material enthalten ist, hängt zum einen von der jeweils verarbeiteten Hanfsorte ab. Hier gibt es eine große Variationsbreite. Zum anderen spielen auch die Anbaubedingungen eine wesentliche Rolle. So enthalten speziell unter Gewächshausbedingungen herangezogene Sorten per se einen höheren THC-Gehalt als zum Beispiel Hanfgewächse aus freier Natur.

Des Weiteren ist von Belang, wie hoch der jeweils enthaltene Cannabidiol-Anteil ist. CBD ist ebenfalls ein wesentlicher Wirkstoff der Cannabispflanze. Er wird zwar nicht als psychoaktiv eingestuft, kann aber die Wirkung von THC abmildern. Weist das erworbene Material also viel THC und wenig CBD auf, fällt der Rausch viel stärker aus und kann unter Umständen sogar in die schon oben erwähnten Wahnvorstellungen münden.

Haschisch und Marihuana

Außerdem bemisst sich die Wirkstärke daran, welche Bestandteile der Hanfpflanze verarbeitet werden. Wurde das Material aus dem Blütenharz der weiblichen Hanfpflanze gewonnen, spricht man von Haschisch. Der Gehalt an THC bewegt sich hier in der Regel – je nach Sorte, Anbaubedingungen und Verarbeitung – zwischen 11 und 19 Prozent. Es sind aber auch mehr Prozent möglich. Werden hingegen die getrockneten Spitzen, Blätter und Blüten der weiblichen Hanfpflanze in zerkleinerter Form aufbereitet, handelt es sich um Marihuana. Dessen THC-Gehalt liegt bei 7 bis 11 Prozent, kann aber bei Verwendung bestimmter Treibhauszüchtungen auf 20 Prozent und mehr ansteigen.

Insgesamt gesehen beobachten Fachleute mit Sorge, dass der THC-Gehalt sowohl bei Haschisch als auch bei Marihuana seit Jahren immer weiter ansteigt. In diesem Zusammenhang warnen sie besonders vor einer stetigen Zunahme des Marktanteils von aus Treibhauszüchtungen gewonnenem Material.

Haschischöle und synthetisch-pflanzliche Mischungen

Wie bereits oben angedeutet, wirkt sich auch die Art der Verarbeitung auf die Stärke des THC-Gehalts aus. So werden unter Zuhilfenahme von Lösungsmitteln stark konzentrierte Auszüge von Haschisch oder Marihuana hergestellt. Solche sogenannten Haschischöle erreichen einen THC-Gehalt von 50 bis teilweise sogar über 70 Prozent.

Als besonders risikoreich gelten die noch relativ neuen aber zunehmend aufkommenden Mischungen aus pflanzlichen und künstlich (synthetisch) hergestellten Cannabinoiden. Sie sind unter Bezeichnungen, wie „Spice“, „Räuchermischung“ oder „Bonzai“ im Umlauf. Ursprünglich wurden die synthetischen Cannabinoide für rein medizinische Zwecke entwickelt. Ihre Wirkung kann die Potenz von pflanzlichem THC um mehr als das 600fache übersteigen. Entsprechend ist der Konsum von Mischungen mit synthetischen Cannabinoiden ein Vabanquespiel, welches in Ausnahmefällen sogar zum Tod führen kann.

Der Einsatz von Streckmitteln

Schließlich ist es auf dem Schwarzmarkt durchaus üblich, durch die Beimischung von Streckmitteln das Gewicht des angebotenen Materials und damit seine Gewinnmarge zu erhöhen. Sind Gewürze, Zucker und tierisches Fett noch vergleichsweise harmlose Beispiele dafür, kommen aber auch weit schädlichere Varianten zum Einsatz. So wurden schon Sand, Haarspray, Schuhcreme, Wachs, gemahlenes Glas, Plastik und Gummi als Beimischung identifiziert. Dabei ist es insbesondere bei Haschisch unmöglich, solche Streckmittel mit bloßem Auge oder unter der Lupe zu erkennen. Der Einsatz solcher Streckmittel geht natürlich zum einen zu Lasten einer berechenbaren Dosierung. Zum anderen können beim Verbrennen giftige Dämpfe oder bei anderweitiger Einnahme weitere Beschwerden auftreten.

Unterschiedliche Konsumformen

Hierin deutet sich bereits an, dass es bei der Antwort auf die Frage, ob und inwieweit Cannabis als harmlos oder gefährlich anzusehen ist, auch auf die jeweilige Konsumform ankommt. Wird Haschisch oder Marihuana zum Beispiel als Joint geraucht, ist das Schädigungspotenzial ähnlich zu bewerten wie bei einer normalen Tabakzigarette. Die möglichen Auswirkungen auf die Lunge und das menschliche Gefäßsystem sind hier hinlänglich bekannt.

Ein Irrglaube ist es zu meinen, dass die Inhalation einer Wasserpfeife (Bong) gesünder sei. Man kennt in diesem Zusammenhang aus medizinischer Sicht den Begriff der „Bong-Lunge“. Hierunter versteht man das Auftreten von COPD infolge von ebenso langjährigem wie starkem Cannabisrauchen mittels Wasserpfeife. Bereits 2007 erbrachte eine Studie aus der Schweiz hierfür erste Belege.

Seit einigen Jahren gibt es außerdem die Möglichkeit, die Substanz über einen Vaporizer ähnlich einer E-Zigarette einzuatmen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (bfr) warnt allerdings grundsätzlich davor, E-Liquids selbst zu mischen und damit ein weiteres gesundheitliches Risiko einzugehen.

Die Art des Konsums beeinflusst darüber hinaus die psychoaktive Wirkung von Cannabis. Beim Rauchen setzt der Rausch sehr schnell ein und erreicht nach ca. 15 Minuten seinen Höhepunkt. Denn die Wirkbestandteile gelangen über die Lunge rasch ins Blut und damit auch ins Gehirn. Noch schneller und intensiver entfaltet sich die Wirkung allerdings bei der Verwendung einer Bong. Denn man inhaliert hierbei deutlich mehr Rauch auf einmal als bei einem Joint. Entsprechend erhöht sich bei dieser Konsummethode die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen.

Verzögert tritt die Wirkung beim Essen von mit Cannabis angereicherten Space Cakes oder Cookies ein. Der Grund ist, dass der Weg über den Verdauungstrakt zum Gehirn weiter ist als über die Lunge. Doch auch dies birgt Gefahren. Denn es kann aufgrund dessen leicht zu einer überhöhten Dosierung kommen.

Risiken von Wirkstoffschwankungen und unbekannten Beimischungen

Der Gefährlichkeitsgrad von Cannabis hängt also entscheidend davon ab, wie hoch die auf einmal zu sich genommene Wirkstoffmenge ausfällt. Die Menge macht eben das Gift. Unter Schwarzmarktbedingungen und je nach bevorzugter Konsumform lässt sich aber genau das im Vorhinein nur schwer abschätzen. Insofern kann die Dosis beim illegalen Cannabiserwerb vom Konsumenten kaum zuverlässig reguliert werden. Mit Wirkstoffschwankungen und unbekannten Beimischungen muss daher immer gerechnet werden. Dies bringt naturgemäß ein unkalkulierbares Nebenwirkungsrisiko mit entsprechend möglichen Negativfolgen für die Gesundheit mit sich.

Apropos Nebenwirkungen von Cannabis: Zu ihren häufigsten Erscheinungsformen zählen laut patienteninformation.de[1] Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Außerdem kann es zu Stimmungsschwankungen, Schwindel, Mundtrockenheit, trockenen Augen, Muskelschwäche, gesteigertem Appetit, Herzrasen, plötzlichem Blutdruckabfall und Herzbeschwerden kommen.

Was sind gefährliche Konsummuster?

Es gibt aber noch weitere Faktoren, an denen sich das Gefährdungspotenzial von Cannabis bemisst. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei auch die Häufigkeit, mit der Haschisch oder Marihuana konsumiert werden. Auf drugcom.de wird ein Konsum, der (fast) täglich bis mehrmals täglich stattfindet, in der Rubrik „eher hartes Konsummuster“ aufgeführt. Eine Konsumhäufigkeit von einmal pro Jahr bis 2-3mal im Monat zählt zu den Kennzeichen eines eher weichen Konsummusters. Man kann sich sicher um die Grenzziehung der hier genannten Häufigkeitskriterien streiten. Aber letztlich geht es mir auch mehr darum, dass Sie einen Anhaltspunkt dafür gewinnen, was unter einem häufigen Konsum zu verstehen ist.

Es lässt sich somit zusammenfassen: Ein gefährliches Konsummuster bei Cannabis ist zum Beispiel dadurch gekennzeichnet, dass in fester Gewohnheit täglich hohe Dosen in der Purpfeife, im Bong oder einem ähnlichen Gerät konsumiert werden.

Im Folgenden möchte ich kurz veranschaulichen, was „gefährlich“ in diesem Kontext konkret bedeutet. Ich beziehe mich dabei auf die Ergebnisse der CaPRis-Studie, die unter dem Label des Drogenbeauftragten der Bundesregierung veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine sogenannte Metastudie. Hierunter versteht man eine wissenschaftliche Untersuchung, die bereits vorhandene Studien auswertet. Solche Studien liefern somit einen sehr guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung. Das trifft auch auf die CaPRis-Studie zu, deren 32-köpfiges Team insgesamt mehr als 2.000 wissenschaftliche Studien der letzten zehn Jahre aus fünf internationalen Datenbanken unter die Lupe genommen hat. Betonen möchte ich, dass die Untersuchung den Untertitel trägt: „Cannabis: Potential und Risiken.“ Die Darstellung ist also keineswegs einseitig ausgerichtet.

Die Folgen gefährlicher Konsummuster

Danach beeinträchtigt ein regelmäßiger und häufiger Cannabiskonsum zum Beispiel das Denk-, Lern- und Erinnerungsvermögen sowie die Aufmerksamkeit und Problemlösungskompetenz. Diese kognitiven Defizite scheinen aber bei dauerhafter Abstinenz wieder umkehrbar zu sein. Des Weiteren kann sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Angststörungen, Depressionen sowie bipolaren (manisch-depressive) Beschwerden erhöhen. Am deutlichsten ausgeprägt zeigt sich eine erhöhte Gefährdung aber im Hinblick auf Psychosen.

Das Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung habe ich bereits an früherer Stelle angesprochen. Ebenfalls habe ich in diesem Zusammenhang schon darauf hingewiesen, dass sich bei etwa 9 Prozent aller Cannabiskonsumenten dann tatsächlich eine solche Abhängigkeit einstellt. Zudem gibt die CaPRis-Studie an, dass sich diese Rate bei täglichem Cannabiskonsum auf bis zu 50 Prozent erhöht. Mit anderen Worten: Menschen mit einem gefährlichen Konsummuster sind in ausgesprochen hohem Maß mit dem Risiko behaftet, abhängig zu werden.

Dass chronischer Cannabisgebrauch die Ausprägung von Atemwegserkrankungen fördert, fand ebenfalls schon an früherer Stelle Erwähnung. Auch die CaPRis-Studie weist hierauf hin. Außerdem gibt sie an, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem Auftreten von Hodenkrebs festgestellt werden konnte.

Besondere Gefährdung für Jugendliche

Wenn es um das Gefährdungspotenzial von Cannabis geht, kommt man nicht umhin, auf den Faktor „Alter“ einzugehen. Denn Jugendliche sind in mehrfacher Hinsicht stärker als Erwachsene der Gefahr ausgesetzt, durch den Konsum von Cannabis Schaden zu erleiden. Dies hängt damit zusammen, dass die Hirnentwicklung in einer solch frühen Lebensphase noch nicht abgeschlossen ist. Laut neuster Zahlen der BZgA (Suchtsurvey 2022) hat etwa jeder elfte der 12- bis 17jährigen (9,3 Prozent) schon einmal Cannabis konsumiert. Die Verlockung, es zumindest einmal zu probieren, ist also durchaus da. Doch immerhin sind es weniger als zwei von 100 Jugendlichen, die regelmäßig kiffen. Das ist auch gut so. Denn Jugendliche, die bereits vor dem 16. Lebensjahr begonnen haben, wöchentlich Cannabis zu konsumieren, unterliegen zum Beispiel einem mehr als dreimal so hohen Risiko, eine Angststörung zu entwickeln. Die CaPRis-Studie verweist zudem darauf, dass Jugendliche, die bereits vor dem 15. Lebensjahr häufig zum Joint greifen, seltener als nicht konsumierende Altersgenossen schulische bzw. später auch akademische Abschlüsse vorweisen können.

Besondere Vorsicht ist für Jugendliche bei der Aufnahme von synthetischen Cannabinoiden geboten, da ihre Wirkung um ein Vielfaches höher ist als die von pflanzlichem Cannabis. Auf die hiermit verbundenen Gefahren bin ich bereits weiter oben eingegangen. Laut der CaPRis-Studie sind Jugendliche in diesem Zusammenhang besonders häufig von Vergiftungserscheinungen, wie Herzrasen, Ruhelosigkeit, Übelkeit und Erbrechen betroffen. In Einzelfällen kann es sogar zu schweren klinischen Symptomen wie Infarkt, Nierenversagen, epileptischer Grand-Mal-Anfall und akute Psychose kommen.

Fazit: Cannabis ist keine harmlose Droge

Am Schluss ihrer Darstellung zieht die CaPRis-Studie ein klares Fazit: „Cannabis ist keine harmlose Droge.“ Vielmehr erhöhe vor allem häufiger Cannabiskonsum das Risiko für eine Abhängigkeit, psychische Störungen, kognitive Beeinträchtigungen, körperliche Erkrankungen und geringere Bildungserfolge. Eine besondere Gefährdung bestehe für Kinder und Jugendliche. Ein frühes Einstiegsalter, intensiver Konsum und Co-Konsum von Tabak werden für sie als besondere Risikofaktoren genannt.

In meinem eigenen Resümee möchte ich es etwas anders ausdrücken: Gefährlicher als Cannabis selbst stufe ich einen verharmlosenden beziehungsweise sorglosen Umgang damit ein. Hier muss sich etwas ändern und in gewissen Communities ein Umdenkungsprozess erreicht werden. Ich glaube, da liegt noch ein ähnlich weiter Weg vor uns, wie beim Thema Alkohol. Ob die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagene Richtung dabei zielführend ist, muss schlicht und ergreifend die Zukunft erweisen. Ich persönlich setze indes weiter auf eine Strategie des „Erklärens“ und „Aufklärens“. Und auf therapeutische Angebote für die Menschen, denen – aus welchen Gründen auch immer – der Konsum von Cannabis aus den Händen geglitten ist.

[1] Hierbei handelt es sich um einen Service des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.

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